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Der Samurai von Savannah

Der Samurai von Savannah

Titel: Der Samurai von Savannah
Autoren: T. Coraghessan Boyle
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Kehle. Er war halb eingeschlafen.
    »Positionslampen«, sagte Ruth, ebenfalls ganz leise, fast flüsternd. »So heißen die doch, oder?«
    Das Boot schaukelte sanft in der Dünung, sachte und schwingend wie in einer Wiege, wie das große, schwere Bett mit der »Zauberfinger«-Massage in dem Motel, wo sie in ihrer ersten Nacht in Georgia gelandet waren. Eine leichte Brise wehte auch, süß und salzig zugleich, milde, aber doch kräftig genug, um die Moskitos in Schach zu halten. Das einzige Geräusch kam vom Wasser, das das Boot umschmeichelte, ruhig und rhythmisch, ein Plätschern und Fließen, in dem die Melodie eines alten Liedes anklang, das sie seit zehn Jahren vergessen hatte. Die Sterne waren lebendig und wach. Die Flasche mit Champagner war kalt. Er antwortete nicht.
    Ruth Dershowitz lag nackt im Bug von Saxby Lights’ fünfeinhalb Meter langem Motorboot. (Eigentlich gehörte das Boot seiner Mutter, so wie alles in und um das Große Haus auf Tupelo Island.) Saxby lag ausgestreckt neben ihr, die Wange schläfrig gegen ihre Brust gedrückt. Jedes Mal wenn das Boot in ein Wellental sackte, entfachte die Reibung seines modischen Stoppelbarts winzige Feuer, die bis hinunter in ihre Zehen loderten. Fünf Minuten vorher hatte Saxby vor ihr gekniet, hatte ihre Hüften auf der breiten, flachen Planke des Sitzes zurechtgeschoben, ihre Schenkel gestreichelt, sodass sie sich öffneten, und war in sie eingedrungen. Zehn Minuten davor hatte sie zugesehen, wie er im schwindenden Licht einen Ständer bekam, während er auf der Ruderbank vor ihr saß und vergeblich versuchte, eine Luftmatratze aufzublasen, damit sie es bequem hätten. Sie hatte ihn beobachtet, nachdenklich und erregt, bis sie schließlich raunte: »Lass es gut sein, Sax – los, komm schon!« Und jetzt war er eingeschlafen.
    Eine Zeit lang horchte sie auf das Wasser und dachte an gar nichts. Und dann stieg das Bild von Jane Shine, ihrer Feindin, vor ihr auf, doch sie verscheuchte es mit einer Vision des eigenen, unausweichlichen Triumphes, ihre noch unstrukturierten Erzählungen kristallisierten zu Kunst, eroberten Literaturmagazine und erstaunten die Welt, und dann dachte sie an das Große Haus, dachte an ihre Schriftstellerkollegen, an die Bildhauer und Maler und an die schieläugige Komponistin, deren Musik wie der schleppende Tod in einer Metronomenfabrik klang. Eine Woche war sie jetzt schon mit ihnen zusammen, die erste Woche eines unbefristeten Aufenthalts – einer Serie von Monaten, die nun in ihrer Fantasie zum Leben erwachten: Monate mit kleinen Koboldgesichtern und eingezogenen Köpfen, beim fröhlichen Bockspringen hinein in eine ruhmreiche, grenzenlose, sonnenhelle und mietfreie Zukunft. Keine Servierjobs und keine Zeilenschinderei mehr, nie wieder Restaurant-Kritiken, Banalitäten für Käseblätter wie Parade oder Cosmopolitan -Peinlichkeiten über Safer Sex, Sex in der Dusche oder »Frühstück bei ihm zu Hause«. Sie konnte so lange bleiben, wie sie wollte. Für immer.
    Sie hatte jetzt Verbindungen.
    Der Gedanke lullte sie ein, und ehe sie sich’s versah, driftete sie davon, wurde vom Champagner, der Nacht, die wie eine Decke war, und dem wohligen Schaukeln des Bootes in die verschwommenen Gefilde des Unbewussten gezogen, und bald streiften weiße Meeresgeschöpfe durch ihren Traum. Sie trieb im Wasser, und auf einmal schoss ein Dutzend blasser Wesen wie Torpedos auf sie zu, sie schrie auf … aber es war alles gut, sie lag in Saxbys Boot, die Sterne blinkten, und sie war wach – einen Augenblick lang –, ehe sie in den Traum zurückglitt. Delfine, nur Delfine waren es, das sah sie jetzt, und sie spielten mit ihr, stupsten ihr die Flaschenschnauzen zwischen die Beine und hoben sie auf ihre glitschigen Stromlinienschultern … aber dann ging etwas schief, und sie war wieder allein im Wasser, und da war noch etwas anderes: ein Schatten stieg aus der Tiefe auf, düster und schnell, und rempelte sie an, mit einem so festen Stoß, dass sie aufwachte. »Sax?« Zuerst glaubte sie, sie seien mit einem anderen Boot kollidiert, weil sie kein Licht gemacht hatten – ihre Gedanken waren noch etwas wirr –, »Sax? Hast du das auch gespürt?«
    Saxby hatte einen festen Schlaf. Einmal in Kalifornien, da hatte er weitergeschlafen, obwohl der Radiowecker sich dreimal einschaltete, ein Erdbeben die Bilder von den Wänden schüttelte und die Marschkapelle der Universität auf der Wiese hinter seiner Wohnung eine Probe abhielt. »Wie?« fragte er,
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