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Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari

Titel: Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari
Autoren: Patricia Mennen
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hielt stattdessen nach den Buschmännern Ausschau. Der Fuß des Waterbergmassivs lag so früh am Morgen noch im Dunklen, während sich die Sonne zügig über den östlichen
Horizont erhob und Owitambe in ihr rotgoldenes Morgenlicht tauchte.
    Ohne dass sie es bemerkt hatte, war ihr Vater neben sie getreten. Ihre morgendliche Übelkeit war ihm nicht entgangen. Fürsorglich legte er seinen Arm um ihre Schulter.
    »Geht es dir nicht gut?«, fragte er besorgt. In seinen Augen spiegelte sich neben echter Sorge auch eine unausgesprochene weitere Frage wider.
    Jella lenkte ungehalten ab.
    »Danke, mir geht es ausgezeichnet. Wahrscheinlich habe ich gestern Abend nur zu viel von Nancys köstlichem Eintopf gegessen.«
    Johannes wollte etwas erwidern, doch in diesem Moment löste sich aus den Schatten des Waterbergmassivs allmählich die Joansi-Gruppe. Sie bestand aus etwas weniger als dreißig Personen, Männer, Frauen, Alte und Kinder, die sich in lockeren Gruppen in Richtung Farm bewegten. Allen voran lief Nakeshi. Jella erkannte sie an ihrem leichten, federnden Gang. Manchmal, in ihren Fieberträumen, hatte sie ihre Sternenschwester vor sich gesehen. Sie hatte ihr wie eine stärkende Kraft zur Seite gestanden. Umgekehrt hatte auch sie gespürt, wenn es Nakeshi schlecht gegangen war. Die Gefühle der zierlichen Buschmannfrau lagen offen wie ein Buch vor ihr, auch wenn sie sie nicht genau einordnen konnte. Neben der Trauer um Debe hatte Jella auch Verärgerung und Ratlosigkeit gespürt, deren Ursache sie jedoch nicht kannte.
    In der Nähe der großen Schirmakazie, die wie ein Schutzdach auf einem Hügel neben der Farm thronte, befand sich ein hoch aufragender Termitenhügel. Darunter lag Debe begraben. Johannes und Nakeshi hatten ihn noch an seinem Todestag nach der Sitte der Buschmänner dort beerdigt. Nun waren seine Angehörigen gekommen, um sich noch einmal gemeinsam von ihm zu verabschieden. In einem lockeren Kreis umringten sie den Termitenhügel. Manche von ihnen weinten, andere standen nur stumm da
und gedachten des alten, erfahrenen Buschmanns, der ihrer Gruppe so sehr fehlte. Jella rührte der Anblick, und auch sie trauerte mit den Buschmännern um diesen tapferen Mann, der seinen Glauben und seine Überzeugung für nichts in der Welt verraten hatte. Bitterkeit und Gram überkamen sie, wenn sie daran dachte, dass die Verantwortlichen für diese Mordtat nie gefasst worden waren.
    Nach einiger Zeit löste sich Nakeshi aus der Gruppe und kam auf Jella und ihren Vater zu. Die beiden hatten es aus Achtung vor der Trauer vorgezogen, im Hintergrund zu bleiben.
    Bei Jellas Anblick strahlte die kleine Buschmannfrau. Vertraulich legte sie ihre aprikotfarbene Hand auf Jellas Arm und streichelte ihn. Jella antwortete, indem sie Nakeshi spontan an sich drückte. Die beiden so unterschiedlichen Frauen boten einen seltsam rührenden Anblick.
    Die letzten Wochen hatte Jella auch genutzt, um ihr Joansi zu verbessern. Ihr Vater und auch Nancy hatten sie immer wieder darin unterwiesen. Mittlerweile beherrschte sie den wichtigsten Wortschatz, auch wenn ihr die unterschiedlichen Klick- und Schnalzlaute der Buschmannsprache immer noch große Probleme bereiteten. Sie wollte ihre Kenntnisse nun gleich ausprobieren.
    »Es ist schön dich zu sehen, Schwester«, versuchte sie Nakeshi zu begrüßen. Diese sah sie etwas erstaunt an und brach dann in herzliches Lachen aus. Auch Johannes verkniff sich nur mit Mühe ein Grinsen.
    »Habe ich etwas Falsches gesagt?«, fragte Jella verunsichert.
    »Du hast das Wort ›Schwester‹ etwas seltsam ausgesprochen«, versuchte Johannes zu erklären.
    »Ach, ja?«
    »Du hast stattdessen ›Gürteltier‹ zu ihr gesagt.«
    »Oh!«
    »Es ist schön, dass du unsere Sprache sprichst«, lachte Nakeshi beschwichtigend. »Nun kann ich dir so vieles erzählen.«

    Ihre Miene wurde wieder ernst. Sie deutete in Richtung des Termitenhügels und bat Jella, mit ihr dorthinzugehen. Schweigend setzten sich die beiden Frauen neben Debes Grab, wo sich inzwischen auch die anderen Joansi niedergelassen hatten. Jeder nahm auf seine Weise noch einmal Abschied von dem alten Mann. Bei aller Trauer glaubten die Buschmänner, dass der Tote für die Lebenden nicht völlig verloren war. Der Geist Debes würde immer über ihnen wachen. Wenn es an der Zeit war, würde er von Zeit zu Zeit in das Leben seiner Angehörigen eingreifen.
    »Bist du noch sehr traurig?«, fragte Jella behutsam.
    Nakeshi nickte.
    »Langsam wird es besser. Der
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