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Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari

Titel: Der Ruf der Kalahari - Mennen, P: Ruf der Kalahari
Autoren: Patricia Mennen
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sie einfach fest.
    Jella schreckte auf. Sarahs Worte trafen sie völlig unvorbereitet. Seit Tagen ging ihr nichts anderes durch den Kopf. Ihre monatliche Blutung war seit Monaten überfällig. Erst hatte sie sich keine Gedanken gemacht und die Unregelmäßigkeit auf ihre Verletzung geschoben, aber nachdem sie diesen Monat wieder ausgesetzt hatte, wurden ihre Befürchtungen langsam zur Gewissheit. Dazu kam die plötzliche Übelkeit, die sie vor allem morgens nach dem Aufstehen überfiel. Die Vorstellung, ein Kind unter ihrem Herzen zu tragen, verunsicherte sie zutiefst.
    Sarah setzte sich zu ihr auf den zweiten Schemel vor der Hütte. Behutsam griff sie nach Jellas Hand und drehte die Handfläche nach oben. Mit ihren langen, schmalen Fingern fuhr sie mehrmals darüber und beobachtete eingehend die Handlinien. Jella sah sie fragend an. Sarah erwiderte ihren Blick mit einem warmen Lächeln, das allerdings durch ein kurzes Stirnrunzeln unterbrochen wurde.
    »Du erwartest ein Kind«, sagte sie ruhig. »Es ist ein Mädchen
mit einem starken Herzen und einem großen Willen. Aber es trägt auch viel Unruhe in sich.«
    Erschreckt zog Jella die Hand zurück.
    »Was redest du da für einen Unsinn?«, wehrte sie sich barsch. »Ich bin nicht schwanger!«
    »Ein Kind muss keine Angst machen«, sagte Sarah mit ihrer warmen Stimme. »Es ist Teil des Lebens.«
    »Ich will aber kein Kind«, protestierte Jella panisch. Ihre Reaktion geriet heftiger als beabsichtigt. Sarahs Behauptung wirkte wie eine losgetretene Lawine und ließ alle ihre Ängste wie Geröll herunterpurzeln. »Es würde niemals einen Vater haben. Und überhaupt...«
    »Ist der Mann mit einer Hand der Vater?«
    Jella sah Sarah entgeistert an. »Woher weißt du...?« Gleichzeitig schämte sie sich für ihre Worte, weil sie wie ein Eingeständnis wirkten. Tiefe Röte überzog ihr Gesicht.
    »Weiße Frauen machen immer Tamtam«, meinte Sarah kopfschüttelnd. »Dabei ist Liebe wie ein Regenfall, kommt und macht fruchtbar.«
    Ohne es zu wollen musste Jella lächeln. So betrachtet hatte Sarah ja recht. Die Liebe zu Fritz hatte sie wirklich wie ein heftiger Regenschauer überfallen. Vielleicht bewertete sie alles viel zu sehr aus ihrer europäischen Erziehung heraus. Die Tatsache, dass sie schwanger war, musste kein Unglück sein. Hier in Afrika tickten die Uhren jedenfalls anders. Ein Kind war etwas Selbstverständliches und Schönes. Dabei spielte es keine Rolle, wer der Vater war. Es bedeutete einfach ein Stück Zukunft. Von diesem Blickwinkel aus hatte die Vorstellung, schwanger zu sein, gar nichts so Beängstigendes mehr an sich. Dankbar drückte sie Sarahs Hand. Nicht zum ersten Mal fühlte sie etwas Verbindendes zwischen sich und der Lebensgefährtin ihres Vaters. Sarah hatte ein Tor in ihr aufgestoßen.
    »Der Mann mit der einen Hand liebt mich nicht mehr«, meinte
sie bitter. Die Erinnerung daran saß wie ein Stachel in eitrigem Fleisch.
    Ein dicker Kloß machte sich in ihrem Hals breit, während sie mühsam eine aufsteigende Träne unterdrückte. Ihr Vater hatte ihr von Fritz und dem mutigen Eingreifen der Schutztruppe erzählt. Allein das Nennen von Fritz’ Namen hatte genügt, um ihr Herz bis zum Hals schlagen zu lassen. Doch dann hatte sie erfahren, dass Fritz nicht einmal gewartet hatte, bis sie wieder zu sich gekommen war. Sie war ihm egal gewesen. Konnte es ein eindeutigeres Zeichen dafür geben, dass er ihr ihre damalige Grobheit nicht verziehen hatte? Mit einer unwirschen Handbewegung stand Jella auf und wandte sich ab. Vergeblich bemühte sie sich, Fritz aus ihren Gedanken zu verbannen. Plötzlich hatte sie es sehr eilig. Mit einem kurzen Gruß verabschiedete sie sich von Sarah, um mit großen Schritten zurück zum Haus zu gehen.
     
    Zwei Tage später wurde sie von Nancy kurz nach Sonnenaufgang geweckt.
    »Die Buschmänner kommen«, rief die Haushälterin aufgeregt. »Die ganze Gruppe.«
    Jella sprang mit einem Schwung aus dem Bett. Ihr Herz klopfte in freudiger Erwartung. Nakeshi hatte ihr Versprechen wahr gemacht. Eilig warf sie sich ihren etwas maroden, seidenen Bademantel über, um hinaus auf die Veranda zu eilen. Noch im Wohnraum überfiel sie plötzliche Übelkeit. Mit Müh und Not schaffte sie es gerade noch durch die Verandatür hinunter auf den Vorplatz, als sie sich auch schon in einem hohen Schwall in die Blumen erbrach. Danach ging es ihr viel besser. Zurück blieb der gallige Nachgeschmack des Erbrochenen. Jella versuchte ihn zu ignorieren und
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