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Der rote Norden - Roman

Der rote Norden - Roman

Titel: Der rote Norden - Roman
Autoren: Franzisika Haeny
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Küchenboden, als ich beim Fenster angelangt bin und zurückblicke, spiegeln sich die Küchenmöbel in den glänzenden Fliesen.
    Ich drehe nun den Saugfuss ab und reinige mit dem Rohr die Sohlen meiner Schuhe. In den Rinnen des Sohlenprofils stecken gequetschte tote Fliegen, die der wunderbare Staubsauger mit starkem Zug entfernt.
    Am offenen Fenster stehe ich und schaue auf mein Werk, den gereinigten Küchenboden; doch viele, viele Fliegen kreisen immer noch durch die Luft, sitzen an den Wänden. Ich habe den Staubsauger nicht ausgeschaltet, damit sein Gebläse das Brummen der Fliegen übertönt.
    Da entdecke ich etwas: Die Fliegen, die unterdessen wieder auf dem Fussboden herumkrabbeln (sogar sie, so winzig sie auch sind, spiegeln sich), werden, sobald sie sich in der Nähe des silbernen Rohres befinden, einfach in den Staubsauger hineingesogen. Ich starre auf diese Erscheinung – auf Fliegen, die in eine unsichtbare Bahn gerissen werden. Martin, denke ich, ich schaffe es vielleicht doch. Ich hole neue Staubsaugerbeutel, binde den vollen Beutel sofort in einen Müllsack und beginne erneut mit der Arbeit.
    Nach mehr als einer Stunde sind die Fliegen verschwunden. Ich bin erschöpft. Doch die glatten Flächen sind noch voll Fliegendreck.
    Ich schrubbe und reibe und putze; in den Schränken sind genügend bunte Plastikflaschen vorhanden, die versprechen, die Küche blitzsauber zu machen (auf einer Flasche lese ich sogar das Wort »Zitronenfrische«), auch eine Bockleiter aus Aluminium finde ich in einem der Schränke. Mit ihrer Hilfe kann ich die Oberschränke reinigen. Irgendwann – ich habe das Gefühl für die Zeit verloren – sind alle Oberflächen in der Küche sauber. Meine Hände fühlen sich seltsam taub an, meine Füsse und mein Rücken schmerzen. Ich habe nur einen Wunsch: Ich möchte mich hinlegen. Unten ist dieses Besucherzimmer … Da ist ein Bett …
    Die Küche sieht nun wie ein Bild aus einem Prospekt aus. Ich kann mich also entfernen. Ich schliesse die Küchentüre und gehe zurück; ich will mich hinlegen. Ich gehe auf die Treppe zu, die nach unten führt, bin bereits an der Treppe – da höre ich seine Stimme: »Halt!«
    Er sitzt oben, wie gestern, und schaut auf mich herab. »Ich habe Hunger!«, sagt er.
    Ich kenne diesen Ton. Er drückt aus, dass ich fehlerhaft bin. Ich versuche, sein Gesicht zu erkennen, es ist nicht möglich, da er mit dem Rücken zum Fenster sitzt. Ich schaue dahin, wo ich weiss, dass sich sein Gesicht befindet. »Ich kann nicht«, sage ich und verspüre ein ganz grosses Wundern in mir, dass ich so etwas sage. »Ich habe die Küche geputzt. Ich muss mich hinlegen.«
    »Eine Stunde gebe ich dir«, sagt er. Und ich nicke und wiederhole: »Eine Stunde«, dann humple ich die Treppe hinab. Auf dem Tisch im Besucherraum steht ein Wecker, den ich gestern nicht bemerkt habe. Ich stelle ihn. Dann schlafe ich sofort ein.

23.
    Der Wecker schreit. Ich rapple mich hoch. Es muss acht Uhr morgens sein. Ich sitze auf dem Bett des schwach erhellten kleinen Zimmers und denke nach: Ich habe gestern für x gekocht. In der schwarzen Küche hatte es nicht nur einen Glaskeramikherd, sondern auch einen Backofen mit kombinierbarer Mikrowelle, und diese Mikrowelle hat eine »Auftaustufe« … So habe ich Kalbsschnitzel aus der Tiefkühltruhe nebenan in einen verwendbaren Zustand gebracht; den Rest des Menus zu kochen, war unproblematisch. Wir sind einander gegenübergesessen beim Abendessen, das heisst, er ist am einen Ende des Konferenztisches gesessen, mir hat er den Platz am anderen Ende, den in der Nähe der Küche, zugewiesen. Er hat verboten, dass ich Licht anmache, obschon es Abend war, und er ist wieder als Schatten erschienen. Natürlich habe ich ihn, als ich das Essen auf- und abgetragen habe, etwas genauer sehen können: Er sitzt im Rollstuhl, er trägt eine eckige Brille statt einer runden …
    Er hat gesagt, er wolle mich am nächsten Morgen um neun Uhr sehen. Ich habe das Geschirr in die Küche getragen, ich habe alles in Ordnung gebracht; wie ich wieder in den Konferenzraum gekommen bin, war er weg. So war das gestern. Und jetzt ist heute. Ich dusche und ziehe dann wieder die alten Kleider an. Ich weiss immer noch nicht, was Martin hier eigentlich vorgehabt hat. Ich weiss nicht, was sein Ziel war. Ich halte mich daran fest, dass er gesagt hat, er brauche mich, ich könne ihm bei x (gegen x?) helfen.
    Ich gehe die Treppe hoch ins Helle. x ist nicht da, das ist gut, um neun Uhr wird er
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