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Der Riss

Der Riss

Titel: Der Riss
Autoren: Scott Westerfeld
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Sportshow aus.
    Sie spürte Rex’ neues Räuberbewusstsein, seine Sorge, er könne die Kontrolle verlieren, das Surren seiner wilden Transformation, das allmählich abebbte. Jemand hatte ihn bedroht, erkannte sie, hatte es gewagt, sich an ihn heranzumachen.
    Vollidiot.
    Und da war noch etwas … ein unerwartetes Bündel von Erinnerungen, das sich über Rex’ schwirrenden Gedanken hielt.
    Nach Darkling schmeckte es nicht, sondern ängstlich und nach Mensch.
    Melissa entzog ihm ihre Hand, betrachtete die Linien in ihrer Hand und versuchte, die seltsamen Bilder zu enträtseln: eine Klapperschlange, die ein Vater in einem Hinterhof in zwei Teile hieb, ihr Maul, wie es in Todeszuckungen schnappte. Die beiden Schlangenhälften, die sich zu beiden Seiten des Spatens, der sie geteilt hatte, eine halbe Stunde lang wanden, als ob sie sich wieder verbinden wollten, um Rache zu üben.
    Melissa blinzelte. „Jemand hat Angst vor Schlangen?“
    „Timmy Hudson.“ Rex grinste und entblößte zu viele Zähne. „Hat große Angst.“
    Sie schüttelte den Kopf. „Na und?“
    Rex sah zu den Cheerleadern hinunter, die zu einer wackligen Pyramide aufeinanderkletterten. Mit gläsernem Blick starrte er mitten durch sie hindurch auf ein neues Gemisch aus Midnighterlehre und eingepflanzten altertümlichen Erinnerungen.
    „Du weißt doch, dass sich die Darklinge unsere Albträume zu eigen machen, um sie gegen uns zu verwenden.“
    „Natürlich weiß ich das, Rex.“ Jede Nacht schmeckte Melissa die alten Geister draußen in der Wüste. Und sie hatte selbst mit angesehen, wie sie sich in allerlei grässliche und gemeine Kreaturen verwandelten – Würmer, Spinnen, Schnecken. „Bei dir fahren sie immer die Tour mit den Taranteln.“
    „Genau, Taranteln.“ Er nickte gedankenverloren. „Timmy Hudson hat mich geärgert. Und er hat Angst vor Schlangen, wie sich herausgestellt hat. Schon seit er klein war. Sein Dad hat im Hinterhof eine Klapperschlange zerschlagen und Klein-Timmy dann geholt, damit der sich das Ergebnis ansieht. Also bin ich ein bisschen … schlangenartig geworden.“
    Er sah sie an und ließ seine Zunge für den Bruchteil einer Sekunde hervorschnellen. Dann grinste er.
    Melissa fiel auf, das Rex’ aufgesprungene Unterlippe sich geteilt hatte, sein Kinn war etwas rot von abgewischtem Blut.
    Sie berührte es und spürte, wie die Spannung in seinem Kiefer nachließ. „Okay, Loverboy. Aber woher wusstest du das? Das mit Timmy? Ihr wart doch nie dicke Freunde?“
    Rex schüttelte seinen Kopf. „Ich wusste es einfach.“
    „Aber wie , Rex? Ich bin doch hier die Gedankenleserin, oder? Wie kommst du an die Albträume von anderen Leuten?“
    Er wandte sich wieder ab, um die Festivitäten auf dem Sportfeld mit leerem Blick anzustarren. Seine Gedanken strahlten gelassene Sicherheit aus, in einer Intensität, wie sie Melissa noch nie an ihm wahrgenommen hatte, zumindest nicht in den Daylightstunden. Aber seine Stärke hatte einen Beigeschmack. Unsicherheit durchzuckte sie, bitter wie der Bodensatz von Madeleines Tee. Rex fühlte sich wie der junge Truckfahrer an, den Melissa einmal auf dem Highway geschmeckt hatte. Zum ersten Mal allein in der Kabine hatte ihn die Überdosis Stärke berauscht, trotzdem war er so nervös, dass sein Sattelschlepper von der Fahrbahn abzukommen drohte.
    Schließlich antwortete er. „So machen es die Darklinge.“

    Die Show ging endlos weiter. Es gab Ankündigungen von Kuchentheken und Autowaschaktionen und Schultheatervorstellungen. Fahnen wurden geschwenkt. Die Mitglieder des Schachclubs bekamen ein paar Sekunden Applaus, weil sie im vergangenen Jahr den Bezirkswettbewerb gewonnen hatten –
    man hätte tatsächlich glauben können, Cleverness würde sich auszahlen. Und ganz allmählich ließ der Showeffekt nach. Sogar auf den Gesichtern der Cheerleader machte sich die Langeweile breit, die Pompoms baumelten schlaff von ihren Armen.
    Dann kam endlich der Teil, bei dem alle zusammen grölten.
    „Schlagt North Tulsa! Schlagt North Tulsa!“, hob der zwergenhafte Chorleiter an. Er trat vom Mikrofon zurück, hob seine winzige Faust im Rhythmus mit den Worten. Allmählich schwoll der Chor an, lauter und lauter, bis die Sporthalle unter dem Schall erzitterte.
    Dies war das Ritual, mit dem der „Geist“ der ganzen Schule auf das Footballteam eingeschworen werden sollte, um aus dem Haufen siebzehnjähriger Jungs die Champions der Bixby Highschool zu machen.
    Komischerweise war das Konzept gar nicht so
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