Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Rikschamann

Der Rikschamann

Titel: Der Rikschamann
Autoren: Jan Schroeter
Vom Netzwerk:
Eintänzer und Frauenversteher!« höhnte der Riese.
    »Schließ die Kette auf, wenn du dich traust, Riesenlederschwuchtel!« stieß Oleg hervor und wich im letzten Moment der vorbeizischenden Klinge aus. Dabei musste er seinen durch die Fußfessel eingeschränkten Bewegungsspielraum voll ausreizen. Barbar versetzte ihm nur einen kleinen Stoß – schon geriet Oleg ins Straucheln, brach auf die Knie herunter und landete mit der verletzten Hand auf dem Boden. Kaum war sein Schmerzensschrei verhallt, fuhr Oleg die Messerklinge tief in den linken Oberarm, hinein und wieder hinaus – wie ein giftiger Insektenstachel.
    »Ich muss dich sowieso zerlegen«, zischte Barbar kalt. »Ich fang’ jetzt damit an – dann hast du auch was davon!«
    Oleg presst die Faust mit dem schmutzigen Verband auf den Blutstrom, der aus seiner frischen Wunde quoll. Wozu eigentlich, schoss es ihm durch den Sinn. Lass es bluten. Gleich ist es vorbei. Sei tapfer, sieh ihm ins Gesicht, sieh ins Licht, auch wenn’s nur eine Glühbirne ist, bevor es gleich für immer dunkel wird… Oleg zwang sich, das Gesicht zu heben, zum Riesen vor ihm. Einen Augenblick lang schien es Oleg, er sähe doppelt – hinter Barbar einen doppelten Barbar, der genau wie der Riese etwas Funkelndes in der Hand hielt und diese im selben Moment wie der Riese stoßbereit nach oben reckte, als führten sie einen Synchrontanz auf. Aber dann schlug die Gestalt hinter Barbar als Erster zu – mit einem trockenen Seufzer sackte der Riese der Länge nach auf die ausgerollte Plane und regte sich nicht mehr.
    »Max…« Oleg spürte gar nicht, dass ihm die Tränen über die Wange liefen. Da stand tatsächlich Max. Die Haare noch zerwühlter als sonst und an den Spitzen angesengt, in den braunen Augen totale Erschöpfung, die Kleidung zerrissen, blutig und mit Brandlöchern übersät.
    »Du siehst fast noch fertiger aus als ich, Alter«, flüsterte Oleg zittrig.
    »Fertiger als du geht nicht.« Max schaffte kaum ein schwaches Grinsen.
    Oleg klapperte mit der Kette. »Kriegst du mich los? Da kommt gleich noch einer!«
    »Weiß ich.« Max kniete neben dem reglosen Barbar nieder, dessen Ledermontur keinerlei Taschen aufwies. Vermutlich deshalb trug er einen Schlüssel am silbernen Kettchen um den Hals. Max riss ihn kurzerhand ab. Der Schlüssel passte, Oleg ließ sich von seinem Freund auf die Füße helfen.
    Diesen Moment nutzte Barbar – mit einer fließenden Bewegung kam er hoch, packte Max und riss ihn zu Boden. Max fühlte, wie sich die Pranken des Riesen um seinen Hals schlossen, und wehrte sich verzweifelt, bis ihm der Sauerstoffmangel die ersten Blitze durch Gehirn jagte. Plötzlich bekam er wieder Luft, saugte gierig die Lungen voll und spürte, wie der Riesenkörper auf ihm erschlaffte. Er hörte Oleg keuchen und ein matschendes Geräusch, als würde jemand eine Melone mit einem Hammer zerteilen, immer und immer wieder…
    »Hör auf! Es reicht, Oleg!«
    Noch ein paar Schläge, dann hing nur noch Olegs keuchender Atem in der Stille. Mühsam wand sich Max unter dem reglosen Körper hervor. Barbars Schädel war ein unförmiges Trümmerobjekt aus rohem Fleisch und Knochensplittern. Die Statue in Olegs Hand glänzte rot statt golden. Erst ließ er die entstellte Trophäe fallen, dann sank er selbst langsam zu Boden, ausgepumpt und völlig am Ende seiner Kräfte.
    Von oben her erklangen Schritte. Rufus kehrte zurück.
    »Bleib liegen!« zischte Max seinem erschöpften Freund zu und postierte sich hart neben der Tür. Er hoffte auf den Überraschungseffekt.
    Tatsächlich blieb Rufus angesichts der reglosen Körper stehen wie gegen die Wand geprallt. Max riss den Mann einfach zu Boden und setzte ihm das Knie auf die Brust. Rufus sah seltsam resigniert zu ihm hoch und wehrte sich überhaupt nicht.
    »Was ist denn hier passiert?«
    Siehst du, schienen Rufus’ Augen zu sagen. Max fuhr herum – hinter ihm standen Elena und Pieter Westheim. Der Popstar hielt eine Pistole schussbereit in der Hand und sah geschockt auf Barbars zertrümmerten Schädel. »Ist er…?«
    Niemand gab ihm eine Antwort. Es war auch nicht nötig. Es wird immer schlimmer, dachte Pieter. Erst läuft alles wunderbar nach Plan – Elena lockt Rufus aus dem Club, ich halte ihm die Knarre unter die Nase, wir gehen rein und überraschen Barbar, und dann wird neu verhandelt. Jetzt liegt da schon wieder eine Leiche, und was machen die Rikschamänner hier? Der Brikettkopf sieht auch schon halbtot aus. Verdammt…
    Elena
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher