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Der Rikschamann

Der Rikschamann

Titel: Der Rikschamann
Autoren: Jan Schroeter
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Bronstein nahm das dicke Mädchen erneut ins Visier. »Warum hast du Max eben geholfen, abzuhauen?«
    Elke setzte bereits zu einer patzigen Antwort an – dann registrierte sie die ehrliche Ratlosigkeit der Kripofrau und schwenkte um. »Weil er keine Schuld hat. Er hat ganz bestimmt weder Nastja noch Oleg umgebracht!«
    »Woher willst du das wissen? Du kennst ihn erst drei Tage.«
    »Und Männer lügen, vor allem am Anfang – willst du das damit sagen?«
    »Mörder lügen sogar immer – bis zuletzt!«
    »Wenn du Max wirklich für einen Doppelmörder hältst, warum hängst du nicht längst am Telefon und alarmierst deine Kollegen?«
    Bronstein senkte nachdenklich den Blick. Wenn sie nach unten guckt, sieht der Zinken noch länger aus, stellte Elke befriedigt fest. Leider hob sie ihr Gesicht schon wieder.
    »Ich habe dich zuerst gefragt, und du hast noch nicht geantwortet: Warum glaubst du an seine Unschuld?«
    Elke überlegte nicht lange. »Weil ich vor ihm noch nie einen Menschen getroffen habe, der sich gegen Unrecht zu Wehr setzt, ohne selbst davon betroffen zu sein oder irgendwie Eigennutz daraus zu ziehen! Als ich ihn zum ersten Mal sah, stand er zusammen mit zwei anderen Rikschafahrern und ich war mit ein paar dämlichen Gänsen aus meiner Klasse unterwegs, die unbedingt gefahren werden wollten und mich vor aller Augen wegen meiner Figur lächerlich gemacht haben. Das hat Max nicht ertragen. Er hat sich für mich eingesetzt, obwohl er es nicht musste und überhaupt nichts davon hatte!«
    »Vielleicht wollte er dein goldenes Herz erobern«, bemerkte die Kripofrau spitz.
    »Das konnte er nicht sehen – was er sehen konnte, war das hier!« Elkes Zeigefinger umkreiste vielsagend ihre üppigen Formen. »Wenn ein attraktiver Mann wie Max für so was wie mich in die Bresche springt, dann ist das Wort ›Uneigennützig‹ noch die untertriebenste Bezeichnung für sein Verhalten.«
    Das kann man wohl sagen, stimmte Bronstein innerlich vollen Herzens zu, und äußerlich war dieses Einverständnis ihrem Gesicht deutlich abzulesen.
    Vielen Dank, Miststück, dachte Elke bitter. »Und deshalb«, fuhr sie fort, »ist Max kein Mörder. Oleg ist sein Freund, und Freundschaft bedeutet einem Menschen wie Max sehr viel. Und ein Eifersuchtsdrama wegen Nastja anzunehmen ist schon deshalb Unfug, weil er sie erst ein paar Stunden vor ihrem Tod zum ersten Mal getroffen hat. Ich war schließlich dabei und habe Augen im Kopf. Sie kannten sich garantiert nicht!«
    Bronstein überlegte still. Dann sagte sie: »Du hast Recht, ich glaube auch nicht daran. Wenn aber Max die Leichenteile nicht selbst in der Wohnung versteckt hat – wer war es dann?«
    »Pete West?«
    Bronstein schüttelte zweifelnd den Kopf – dann fiel ihr Blick auf Max’ Handy, das noch immer auf dem Tisch lag. »Es wäre besser, Max würde kooperieren. Leider können wir ihn nicht einfach anrufen…« Sie nahm sich das Mobiltelefon, dabei fiel ihr etwas ein. »Das Handy mit Nastjas SMS liegt in Olegs Zimmer, hat Max doch gesagt?«
    »Ja.«
    Die Polizistin wählte entschlossen eine Nummer und sprach hektisch ins Telefon, als wolle sie ihr Gegenüber gar nicht erst groß zu Wort kommen lassen. »Chef? Seid ihr noch in der Wohnung? Liegt da irgendwo ein Handy? Im Zimmer von Oleg Wolff? Woanders vielleicht? Ganz sicher? Danke – nein, ich brauch’ noch ein bisschen, bis später!« Sie steckte das Gerät ein und grinste Elke grimmig zu. »Kein Handy!«
    »Die haben es mitgenommen, als sie den Finger und die Hand in der Wohnung versteckt haben. Beweise vernichten und gleichzeitig alles Max in die Schuhe schieben!«
    »Falls es ein Handy mit dieser SMS gab und sich Max das nicht ausgedacht hat…«
    »Das hatten wir schon!« stöhnte Elke genervt. »Fangen wir jetzt wieder von vorne an?«
    »Nicht ganz von vorne.« Die Kripofrau langte sich jetzt auch noch den String-Dress vom Tisch, wobei ihr einfiel, dass sie selbst unter ihrer unförmigen, geliehenen Wickelrock-Pullover-Kombination immer noch ein Zwillingsstück dieser diabolischen Dessous trug. »Nastja Kirjakowa, Oleg Wolff, Pete West. Ihre Fäden laufen an einer Stelle zusammen!«
    »Im ›Hell on Earth‹.«
    »Genau.« Bronstein nickte entschlossen. »Ich schätze, Max denkt genauso.«

17.
    Die ferne Vibration war wieder verstummt. Dafür pochte es direkt neben ihm. Base-Drum. Bumm bumm bumm. Jeder Schlag begleitet von einer Eruption glühender Lohe, die er nicht sah, sondern nur fühlte. Zuerst hatte er versucht,
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