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Der Rikschamann

Der Rikschamann

Titel: Der Rikschamann
Autoren: Jan Schroeter
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großen Clubraum, der verlassen und dunkel in trüber Postpartytristesse dalag. Auch im Gang zu Rufus’ Büro war niemand, aber seine Tür stand offen – von dort drang schwacher Lichtschein in den Flur. Und der schrille, sich vor Grauen überschlagende Schrei eines gequälten Menschen, der Max’ Herzschlag stocken ließ. Oleg! Sein Puls jagte aus dem Stand auf Stakkatofrequenz. So leise wie möglich eilte er los, hinüber zur Bürotür.
    Auf dem Schreibtisch blitzte immer noch die goldene Pornopreis-Statue, und Rufus grinste breit von hundert Fotos an der Wand. Etwas jedoch hatte sich im Zimmer des Geschäftsführers verändert: Ein Aktenschrank stand wie eine geöffnete Tür rechtwinklig zur Wand, und dahinter erkannte Max die Stufen einer abwärts führenden Treppe. Irgendwo da unten mussten sie sein, er hörte ihre Stimmen – jetzt die von Oleg.
    »Ich sag euch, wo das Foto ist!«
    »Ach. Ich dachte, dein Kumpel Max hat es?« Rufus, hell und schneidend.
    »Es ist in der Rikscha versteckt!«
    Ein gemeines Lachen, tief und kräftig. Barbar. »Wie praktisch. Die hab’ ich gerade verschrottet!«
    »Ich kann euch auch Geld geben!« bettelte Oleg. »Und Max hat mein Handy. Da ist eine SMS von Nastja drauf…«
    Max erreichte das untere Ende der Treppe und lugte vorsichtig um die Ecke. Ein fensterloser Kellerraum, in der Mitte eine vom Boden bis zur Decke verlaufende Eisenstange, an der Oleg lehnte – verschmutzt, blutbesudelt, um die Linke einen rotfleckigen Verband. Er ließ kein Auge von dem Riesen, der ihm gegenüberstand, mit einem langen Messer in der Hand. Neben Barbar stand Rufus, der Oleg ein Mobiltelefon unter die Nase hielt.
    »Dein Handy haben wir schon. Geld kriegen wir gleich jede Menge. Max ist erledigt. Und du gleich auch.« Er gab seinem Komplizen einen Wink. »Barbar…«
    Der Riese hob die Hand mit dem Messer und ließ die Klinge einen Augenblick im Schein der Glühbirne funkeln. Oleg lehnte mit geschlossenen Augen an der Stange, ein Bild vollkommener Resignation. Max spannte alle Muskeln an. Alleine gegen Zwei, und einer davon ist dieser Muskelberg – schlechte Karten, aber er konnte nicht zusehen, wie…
    Ein Handy klingelte. Im ersten Moment dachte Max, es wäre das von Oleg, das Rufus noch in der Hand hielt, doch dann griff der Geschäftsführer in sein Leinenjackett und zog sein eigenes Gerät hervor. »Was ist?« meldete er sich barsch, um verwundert fortzufahren: »Elena? Was kann ich für dich tun…?«
    Barbar ließ überrascht die Messerhand sinken und sah Rufus fragend an, als der das Gespräch beendete.
    »Elena Westheim macht sich Sorgen«, grinste Rufus. »Pete ist so merkwürdig drauf! Sie hat Angst, er wird vielleicht erpresst!«
    »Ooooch!« gab der Riese im Ton tiefsten Bedauerns von sich – um dann gemeinsam mit seinem Chef in hämisches Gelächter auszubrechen. »Und was will sie jetzt von dir?« erkundigte sich Barbar, als sie sich einigermaßen von ihrem Lachanfall erholt hatten.
    »Sie weiß, ich kenne ein paar richtig harte Kerle! Wir dürfen Pete nichts davon sagen, aber: Ob wir vielleicht ein bisschen auf Pete aufpassen könnten…«
    »Aber gerne – Tag und Nacht!« Der Riese wieherte schon wieder los.
    »Außerdem möchte sie mir etwas zeigen. Sie steht sogar schon draußen!«
    »Vor dem Club?« staunte Barbar.
    Rufus nickte. »Ich geh kurz zu ihr raus und wimmle sie ab. Mach den Knaben da fertig. Und dann holen wir uns die Kohle. Danach können die Bullen Pete West gerne haben, falls sie sich mit Max nicht begnügen!«
    »Uns kann keiner was!« feixte Barbar, während sein Chef sich anschickte, nach oben zu gehen. Max schaffte es gerade noch, ungesehen vor ihm die Treppe hinauf zu hetzen und sich hinter den Sessel zu hechten, der ihm schon einmal als Versteck gedient hatte. Kaum kauerte er dort, betrat Rufus das Büro und verließ es gleich wieder in Richtung Flur und Clubausgang. Max kam wieder hoch, schnappte sich die goldene Preisstatue vom Schreibtisch und hielt sie wie eine Keule, mit dem massiven Sockel nach oben. Durch ihre weiblichen Rundungen lag die Figur ausgesprochen gut in der Hand. Ein Hoch auf die Pornobranche.
    Allein mit Barbar. Oleg schöpfte einen winzigen Funken Hoffnung, und das genügte, um sein Kämpferherz ein letztes Mal anzustacheln. Barbar stand grinsend mit dem gezückten Messer vor ihm, schlug ein paar halbherzige Finten und amüsierte sich über Olegs schwerfällige Ausweichmanöver.
    »Tanzen, Oleg, tanzen! Du bist doch der große
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