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Der Regenmacher

Der Regenmacher

Titel: Der Regenmacher
Autoren: John Grisham
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mehr, weil sie ihm das Leben so schwermachten. Er verbrachte täglich acht Stunden damit, sich mit ihnen herumzuschlagen; danach stürzte er sich auf die Martinis, sobald er das Haus betreten hatte. Kein Hallo. Keine Umarmung. Kein Essen. Nur ein oder zwei Stunden ununterbrochenes Wüten, während er vier Martinis hinunterkippte, um dann in seinem ramponierten Lehnsessel einzuschlafen. Ein Prozeß dauerte drei Wochen, und als er mit einem happigen Urteil gegen die Firma geendet hatte, rief meine Mutter einen Arzt, und sie versteckten ihn für einen Monat in einem Krankenhaus.
    Die Firma machte später Pleite, und natürlich wurde alle Schuld daran den Anwälten gegeben. Ich hörte kein einziges Wort darüber, daß vielleicht eine Spur von falschem Management zu diesem Konkurs beigetragen haben könnte.
    Alkohol wurde sein Leben, und er verfiel in Depressionen. Jahrelang hatte er keinen festen Job, und das machte mich erst richtig wütend, weil ich gezwungen war, zu kellnern und Pizzas auszutragen, um mir meinen Weg durchs College zu erkämpfen. Ich glaube, in den vier Jahren meines Collegestudiums habe ich zweimal mit ihm gesprochen. Am Tag, nachdem ich erfahren hatte, daß ich an der Juristischen Fakultät der Universität angenommen worden war, kam ich mit dieser großartigen Nachricht stolz nach Hause. Mutter hat mir später erzählt, daß er eine Woche lang im Bett geblieben ist.
    Zwei Wochen nach meinem triumphierenden Besuch wechselte er im Badezimmer eine Glühbirne aus, wobei (ich schwöre, das ist die Wahrheit) seine Leiter zusammenbrach und er auf den Kopf fiel. Er verbrachte ein Jahr im Koma in einem Pflegeheim, bis jemand gnädigerweise den Stecker herauszog.
    Ein paar Tage nach der Beerdigung erwähnte ich die Möglichkeit einer Klage, aber meiner Mutter war nicht danach zumute. Außerdem habe ich immer geargwöhnt, daß er nicht ganz nüchtern war, als er stürzte. Und er hatte kein Einkommen, unserem Entschädigungssystem entsprechend besaß sein Leben also nur einen sehr geringen ökonomischen Wert.
    Meine Mutter erhielt die großartige Summe von fünfzigtausend Dollar aus einer Lebensversicherung und ging eine schlechte zweite Ehe ein. Mein Stiefvater ist ein simpler Bursche, ein pensionierter Postbeamter aus Toledo, und sie verbringen den größten Teil ihrer Zeit mit Square Dance und dem Herumreisen in einem Winnebago. Ich halte Abstand. Mutter hat mir keinen roten Heller von dem Geld angeboten; sie erklärte, es wäre alles, was sie hätte, um der Zukunft ins Auge zu sehen, und da ich mich im Leben ohne nennenswerte Einkünfte als relativ geschickt erwiesen hatte, meinte sie, ich brauchte nichts. Vor mir lag eine glänzende Zukunft mit viel Geld; vor ihr nicht, argumentierte sie. Ich bin sicher, daß Hank, ihr neuer Ehemann, sie mit finanziellen Ratschlägen überschüttete. Eines Tages werden unsere Pfade, meine und Hanks, sich wieder kreuzen.
    In einem Monat, im Mai, werde ich mit dem Jurastudium fertig sein; dann werde ich für das Anwaltsexamen im Juli büffeln. Ich werde nicht mit Auszeichnung abschließen, aber ich rangiere immerhin in der oberen Hälfte meines Jahrgangs. Das einzig Schlaue, was ich in den drei Jahren meines Studiums getan habe, war, daß ich die schwierigen und die Pflichtvorlesungen schon früh absolviert habe, damit ich es in meinem letzten Semester geruhsam angehen lassen konnte. Meine Vorlesungen in diesem Frühjahr sind ein Witz – Sportrecht, Urheberrecht, Ausgewählte Texte aus dem Code Napoleon und, mein Lieblingsseminar, Juristische Probleme älterer Leute.
    Um dieses letzten Faches willen sitze ich jetzt hier auf einem wackligen Stuhl hinter einem schäbigen Klapptisch in einem heißen, feuchten Metallgebäude in Gesellschaft einer bunt gemischten Ansammlung von Senioren, wie sie sich gern nennen lassen. Ein handgemaltes Schild über der Tür bezeichnet den Laden großspurig als das Cypress Gardens Senior Citizens Building, aber von seinem Namen abgesehen findet sich nirgends auch nur der leiseste Hinweis auf Blumen oder etwas Grünes. Die Wände sind schmutzfarben und kahl bis auf ein verblichenes Foto von Ronald Reagan in einer Ecke zwischen zwei traurigen Fähnchen – den Stars and Stripes und der Staatsflagge von Tennessee. Das Gebäude ist klein, düster und öde, offensichtlich in letzter Minute mit ein paar überschüssigen Dollars aus irgendwelchen unvermuteten Bundesmitteln erbaut. Ich kritzle auf einem Notizblock herum, weil ich mich davor fürchte,
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