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Der Regenmacher

Der Regenmacher

Titel: Der Regenmacher
Autoren: John Grisham
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Baumwolle, und der burgunderrote Blazer ist abgetragen und könnte von Sears stammen. Mir sind im Laufe der Zeit einige reiche alte Damen über den Weg gelaufen, und normalerweise sind sie auf den ersten Blick zu erkennen.
    Das Testament ist fast zwei Jahre alt. »Wann ist Ihr Anwalt gestorben?« frage ich jetzt zuckersüß. Unsere Köpfe sind nach wie vor gesenkt und unsere Nasen nur Zentimeter voneinander entfernt.
    »Voriges Jahr. Krebs.«
    »Und im Augenblick haben Sie keinen Anwalt?«
    »Würde ich hier sitzen und mit Ihnen reden, Rudy, wenn ich einen hätte? Ein Testament ist eine ziemlich simple Angelegenheit, also dachte ich, Sie kämen damit zurecht.«
    Habgier ist etwas Merkwürdiges. Ich habe einen Job und fange am 1. Juli bei Broadnax and Speer an, einer muffigen kleinen Tretmühle mit fünfzehn Anwälten, die fast ausschließlich Versicherungsgesellschaften bei Prozessen vertreten. Es ist nicht der Job, den ich gern gehabt hätte, aber wie die Dinge liegen, bekam ich von Broadnax and Speer ein Angebot und von niemandem sonst. Vermutlich werde ich ein paar Jahre dort arbeiten und mir dann etwas Besseres suchen.
    Würden die Leute bei Broadnax and Speer nicht beeindruckt sein, wenn ich gleich an meinem ersten Tag eine Mandantin mitbrächte, die mindestens zwanzig Millionen Dollar besitzt? Ich würde auf der Stelle ein Regenmacher sein, ein strahlender Jungstar mit einem goldenen Händchen. Vielleicht würde ich sogar um ein größeres Büro bitten.
    »Natürlich komme ich damit zurecht«, sage ich lahm. »Es ist nur, es geht um eine Menge Geld, und ich …«
    »Pst!« zischt sie wütend und beugt sich sogar noch weiter vor. »Reden Sie nicht von dem Geld.« Ihre Augen schießen in alle Richtungen, als lauerten hinter ihr Diebe. »Ich will nicht, daß wir darüber reden«, erklärt sie.
    »Okay. Ist mir recht. Aber ich meine, daß Sie vielleicht über diese Sache mit einem Steueranwalt reden sollten.«
    »Das hat mein alter Anwalt auch gesagt, aber ich will nicht. Soweit es mich angeht, ist ein Anwalt wie der andere, und ein Testament ist ein Testament.«
    »Richtig, aber Sie könnten eine Menge Steuern sparen, wenn Sie Ihren Nachlaß richtig planen.«
    Sie schüttelt den Kopf, als wäre ich ein kompletter Idiot. »Ich würde keinen Pfennig sparen.«
    »Entschuldigen Sie, aber ich meine, das könnten Sie durchaus.«
    Sie legt eine braunfleckige Hand auf mein Handgelenk und flüstert: »Rudy, lassen Sie mich erklären. Steuern spielen für mich keine Rolle, weil ich dann tot sein werde. Richtig?«
    »Äh – ja, richtig. Aber was ist mit Ihren Erben?«
    »Eben deshalb bin ich hier. Ich bin stocksauer auf meine Erben, und ich will sie aus meinem Testament streichen. Meine beiden Kinder und einige der Enkelkinder. Streichen, streichen, streichen. Sie sollen nichts bekommen, verstehen Sie? Gar nichts. Keinen Pfennig, nicht ein einziges Möbelstück. Nichts.«
    Ihre Augen sind plötzlich hart, und die Fältchen um ihren Mund sind verspannt. Sie drückt mein Handgelenk, ist sich dessen aber nicht bewußt. Eine Sekunde lang ist Miss Birdie nicht nur wütend, sondern verletzt.
    Am anderen Ende des Tisches bricht zwischen Bosco und N. Elizabeth Erickson eine Auseinandersetzung los. Er schwadroniert laut gegen Medicaid und Medicare und die Republikaner im allgemeinen, und sie deutet auf ein Blatt Papier und versucht ihm zu erklären, weshalb bestimmte Arztrechnungen nicht erstattet werden. Smoot kommt langsam auf die Füße und wandert ans Ende des Tisches, um zu fragen, ob er irgendwie behilflich sein kann.
    Bookers Mandant versucht verzweifelt, seine Fassung zurückzugewinnen, aber die Tränen tropfen von seinen Wangen, und Booker ist allmählich genervt. Er versichert dem alten Mann, daß er, Booker Kane, sich um die Sache kümmern und alles in Ordnung bringen wird. Die Klimaanlage schaltet sich ein und übertönt einen Teil der Unterhaltungen. Die Teller und Tassen sind abgeräumt worden, und jetzt werden alle möglichen Spiele gespielt – Chinesisches Dame, Rook, Bridge und ein Milton-Bradley-Brettspiel mit Würfeln. Zum Glück ist der größte Teil dieser Leute wegen des Essens und der Gesellschaft gekommen, nicht um der juristischen Beratung willen.
    »Weshalb wollen Sie sie streichen?«
    Sie gibt mein Handgelenk frei und reibt sich die Augen. »Also, das ist ziemlich persönlich, und ich möchte darüber nicht sprechen.«
    »In Ordnung. Wer soll das Geld bekommen?« frage ich und fühle mich plötzlich
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