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Der Regenmacher

Der Regenmacher

Titel: Der Regenmacher
Autoren: John Grisham
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läßt sich an der anderen Seite des Tisches nieder und wahrt Abstand.
    »Hallo«, sage ich mit einem Lächeln und ausgestreckter Hand. Er ergreift sie schlaff, dann halte ich sie ihr hin. »Ich bin Rudy Baylor.«
    »Ich bin Dot, und das ist Buddy«, sagt sie, nickt in Richtung Buddy und ignoriert meine ausgestreckte Hand.
    »Dot und Buddy«, wiederhole ich und fange an, mir Notizen zu machen. »Wie ist Ihr Nachname?« frage ich mit der ganzen Herzlichkeit eines sturmerprobten Anwalts.
    »Black. Dot und Buddy Black. Eigentlich heißen wir Marvarine und Willis Black, aber alle nennen uns Dot und Buddy.« Dots Haar ist ganz krisselig von zahllosen Dauerwellen und an den Spitzen silbrig angehaucht. Er macht einen sauberen Eindruck. Sie trägt billige weiße Turnschuhe, braune Socken und zu weite Jeans. Sie ist eine magere, drahtige Frau mit einem scharfen Zug um den Mund.
    »Adresse?« frage ich.
    »Squire achthundertdreiundsechzig, in Granger.«
    »Arbeiten Sie?«
    Buddy hat den Mund noch nicht aufgemacht, und ich bekomme den Eindruck, daß Dot seit vielen Jahren das Reden besorgt. »Ich bekomme eine Invalidenrente von der Sozialversicherung«, sagt sie.
    »Ich bin erst achtundfünfzig, aber ich habe ein schwaches Herz. Buddy hat eine Pension, eine kleine.«
    Buddy sieht mich an. Er trägt eine Brille mit dicken Gläsern und Plastikbügeln, die kaum bis hinter seine Ohren reichen. Seine Wangen sind rot und feist. Sein Haar ist buschig und grau mit einem Anflug ins Bräunliche. Offenbar hat er es seit mindestens einer Woche nicht mehr gewaschen. Sein Hemd ist schwarz und rot kariert und noch schmutziger als sein Haar.
    »Wie alt ist Mr. Black?« frage ich sie, weil ich nicht sicher bin, ob Mr. Black es mir sagen würde, wenn ich ihn fragte.
    »Er ist Buddy, okay? Dot und Buddy. Lassen Sie diesen Mister-Kram, okay? Er ist zweiundsechzig. Darf ich Ihnen etwas sagen?«
    Ich nicke schnell. Buddy betrachtet Booker auf der anderen Seite des Tisches.
    »Er ist nicht richtig im Kopf«, flüstert sie mit einem leichten Nicken in Buddys Richtung. Ich sehe ihn an. Er sieht uns an.
    »Kriegsverletzung«, sagt sie. »Korea. Kennen Sie diese Metalldetektoren am Flughafen?«
    Ich nicke abermals.
    »Nun, er könnte da splitternackt hindurchgehen, und das Ding würde trotzdem losheulen.«
    Die Knöpfe an Buddys Hemd sehen aus, als würden sie jeden Moment abplatzen. Es ist fast bis zur Fadenscheinigkeit gedehnt, in dem verzweifelten Versuch, seinen vorstehenden Bauch zu bedecken. Buddy hat mindestens drei Kinne. Ich versuche ihn mir vorzustellen, wie er durch den Memphis International Airport geht und die Alarmsirenen schrillen und das Wachpersonal in Panik gerät.
    »Hat eine Platte im Kopf«, setzt sie erklärend hinzu.
    »Das – das ist ja furchtbar«, flüstere ich zurück, dann notiere ich auf meinen Block, daß Mr. Buddy Black eine Metallplatte im Kopf hat. Mr. Black dreht sich nach links und starrt auf Bookers ungefähr einen Meter von ihm entfernten Mandanten.
    Plötzlich kippt sie vorwärts. »Noch etwas«, sagt sie.
    Ich neige mich ihr erwartungsvoll entgegen. »Ja?«
    »Er hat ein Alkoholproblem.«
    »Achja?«
    »Aber daran ist auch die Kriegsverletzung schuld«, setzt sie hilfreich hinzu. Und so hat diese Frau, die ich vor drei Minuten kennengelernt habe, ihren Mann mal eben zu einem trunksüchtigen Idioten reduziert.
    »Stört es Sie, wenn ich rauche?« fragt sie, bereits ihre Tasche öffnend.
    »Ist das hier drin erlaubt?« frage ich und hoffe auf ein Rauchen-Verboten-Schild, kann aber keins entdecken.
    »Natürlich.« Sie klemmt sich eine Zigarette zwischen die spröden Lippen und zündet sie an, dann reißt sie sie wieder heraus und bläst Buddy eine Rauchwolke direkt ins Gesicht; der rührt sich keinen Zentimeter.
    »Und was kann ich für Sie tun?« frage ich und betrachte den von breiten Gummibändern zusammengehaltenen Packen Papiere. Ich schiebe Miss Birdies Testament unter meinen Block. Meine erste Mandantin ist eine Multimillionärin, und meine nächsten Mandanten sind Rentner. Meine gerade beginnende Karriere ist wieder auf die Erde zurückgestürzt.
    »Wir haben nicht viel Geld«, sagt sie leise, als wäre das ein großes Geheimnis, das sie mir nur ungern preisgibt. Ich lächle mitfühlend. Ganz gleich, was sie besitzen mögen, sie sind auf jeden Fall viel reicher als ich, und daß man sie jeden Moment verklagen wird, bezweifle ich auch.
    »Und wir brauchen einen Anwalt«, setzt sie hinzu, nimmt die Papiere und
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