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Der Regenmacher

Der Regenmacher

Titel: Der Regenmacher
Autoren: John Grisham
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wenn es mehr wäre. An diesem Punkt hasse ich das Jurastudium. Und ich habe erhebliche Bedenken, was den allgemeinen Umgang mit dem Recht angeht.
    Dies ist mein erstes Zusammentreffen mit echten Mandanten, und ich habe fürchterliche Angst. Obwohl die Leute, die da herumsitzen, alt und schwach sind, mustern sie mich, als verfügte ich über große Weisheit. Schließlich bin ich fast ein Anwalt, ich trage einen dunklen Anzug, vor mir liegt dieser Block, auf den ich Kreise und Quadrate male, und mein Gesicht ist in einem intelligenten Stirnrunzeln erstarrt, also muß ich imstande sein, ihnen zu helfen. Neben mir an unserem Klapptisch sitzt Booker Kane, ein Schwarzer, mein bester Freund an der Universität. Er hat ebensoviel Angst wie ich. Vor uns stehen gefaltete Karteikarten, auf die wir mit schwarzem Filzstift unsere Namen geschrieben haben – Booker Kane und Rudy Baylor. Das bin ich. Neben Booker steht das Podium, hinter dem Miss Birdie herumkreischt, und auf der anderen Seite ein weiterer Tisch, auch mit Karteikarten. Die eine verkündet die Anwesenheit von F. Franklin Donaldson dem Vierten, einem aufgeblasenen Arschloch, das seit nunmehr drei Jahren seinen Namen mit Initialen davor und Zahlen dahinter bepflastert hat. Neben ihm sitzt N. Elizabeth Erickson, ein echtes Miststück. Das Weibsbild trägt Nadelstreifenanzüge und seidene Krawatten und springt einem bei jeder Kleinigkeit gleich ins Gesicht.
    Smoot steht an der Wand hinter uns. Miss Birdie verkündet die Neuigkeiten, berichtet aus Krankenhäusern und vermeldet Todesfälle. Sie schreit in ein Mikrofon mit einer Tonanlage, die erstaunlich gut funktioniert. Vier große Lautsprecher hängen in den Ecken des Raums, und ihre durchdringende Stimme dröhnt aus allen Richtungen auf uns ein. Hörgeräte werden beklopft und abgenommen. Im Augenblick schläft niemand. Heute sind drei Todesfälle zu beklagen, und als Miss Birdie endlich fertig ist, sehe ich ein paar Tränen im Publikum. Gott, bitte laß das nicht mit mir geschehen. Bitte gib mir noch fünfzig Jahre und dann einen plötzlichen Tod im Schlaf.
    Links von uns, vor einer Wand, erwacht die Pianistin zum Leben und klatscht Notenblätter auf den hölzernen Ständer. Miss Birdie hält sich für eine Art politische Analytikerin, und gerade als sie anfängt, sich über eine geplante Anhebung der Mehrwertsteuer auszulassen, hämmert die Pianistin auf die Tasten ein. »America the Beautiful«, glaube ich. Hingebungsvoll spielt sie mit voller Lautstärke die einleitenden Takte, und die Gruftis greifen nach ihren Gesangbüchern und warten auf die erste Strophe. Miss Birdie läßt sich keinen Takt entgehen. Jetzt ist sie die Chordirigentin. Sie hebt die Hände und klatscht, um Aufmerksamkeit zu heischen, dann, bei den Eröffnung stakten der ersten Strophe, schwenkt sie sie in alle Richtungen. Die dazu imstande sind, erheben sich langsam.
    Bei der zweiten Strophe geht die Lautstärke des Gesangs erheblich zurück. Der Text ist nicht so vertraut, und die meisten dieser armen Seelen können nicht weiter sehen als bis zu ihrer Nase, deshalb sind die Gesangbücher nutzlos. Boscos Mund ist plötzlich geschlossen, aber er summt laut zur Decke hinauf.
    Das Klavier verstummt ganz plötzlich, weil die Noten vom Ständer fallen und auf dem Fußboden landen. Ende des Liedes. Sie starren die Pianistin an, die in der Luft herumfuchtelt und sich dann bückt, um nach den Blättern zu tasten, die um ihre Füße herumliegen.
    »Danke!« schreit Miss Birdie ins Mikrofon, als alle plötzlich wieder auf ihre Sitze zurücksinken. »Danke. Musik ist etwas Wundervolles. Lasset uns Gott danken für schöne Musik.«
    »Amen«, dröhnt Bosco.
    »Amen«, erwidert ein weiteres Relikt vergangener Zeiten in einer der hinteren Reihen mit einem Nicken.
    »Danke«, sagt Miss Birdie. Sie dreht sich um und lächelt Booker und mich an. Wir beide lehnen uns auf unseren Ellenbogen vor und mustern abermals die Leute. »Und jetzt«, sagt sie dramatisch, »was das heutige Programm angeht – wir freuen uns sehr, daß Professor Smoot wieder bei uns ist, zusammen mit einigen seiner klugen und gutaussehenden Studenten.« Sie schwenkt die dicklichen Hände in unsere Richtung und lächelt mit ihren grauen und gelben Zähnen Smoot an, der inzwischen unauffällig zu ihr getreten ist. »Sehen Sie nicht gut aus?« fragt sie, auf uns deutend. »Wie ihr wißt«, redet Miss Birdie weiter ins Mikrofon, »lehrt Professor Smoot an der Memphis State University. Mein
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