Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Puppendoktor

Der Puppendoktor

Titel: Der Puppendoktor
Autoren: Brigitte Aubert
Vom Netzwerk:
an der nächsten Kreuzung . Sie fuhr fast blind. Die Kopfschmerzen quälten sie wie spitze Zähne, die sich unablässig in ihren Schädel schlugen.
    Der kleine Mann versuchte, sich an den Straßenverlauf zu erinnern. Er wandte sich um: Die Dreckskerle hinter ihnen hatten nicht aufgegeben, sie kamen immer näher.
    »Gib Gas.«
    »Wenn ich Gas gebe, bringen wir uns um.«
    »Wenn du nicht Gas gibst, bringe ich ihn um.«
    Nadja gab Gas. Gottes Wille geschehe. Aber wenn man bedachte, wie Er sich der Lebenden annahm, war das nicht eben ermutigend .
    Momo öffnete die Augen. Der Schmerz pochte in seiner Stirn, hinter seinen Augen. Es regnete: Es roch nach Regen und nach … Maman! Er wollte sich zu ihr hinüberwerfen, doch die eiserne Hand drückte ihn auf den Sitz. Er war in einem Auto, mit Maman und dem Irren, Maman saß am Steuer, sie hatten sich im Wald verirrt . War das alles ein Traum?
    »Maman!«, stammelte Momo, seine Augen waren tränenverschleiert.
    Nadja drehte schnell den Kopf zur Seite. Momo! Er lebte, er redete!
    »Momo, mein Liebling!«
    Der kleine Mann brüllte:
    »Vorsicht!«
    Nadja richtete die Augen wieder auf die Straße. Der Lastwagen, der zu ihrer Rechten auftauchte, hupte. Sie trat auf die Bremse. In ihrer Erinnerung erschienen Bilder aus dem Film Die Dinge des Lebens. Dann Marcels Gesicht. Während sie mit ihrem ganzen Gewicht die Bremse durchtrat und das Lenkrad nach links riss, dachte sie intensiv und mit aller Kraft an Marcel.
    Reflexartig hob der kleine Mann den Arm, um sein Gesicht zu schützen. Momo ließ sich unter das Armaturenbrett gleiten und rollte sich zusammen.
    Der Fahrer des Lastwagens schloss die Augen.
    Das Auto jagte mit achtzig Stundenkilometern auf den Seitenstreifen und riss einen Wegweiser um.
    Der Kopf des kleinen Mannes schlug heftig gegen den Türrahmen, und durch den Aufprall fiel ihm das Rasiermesser aus der Hand. Momo stellte seinen kleinen Fuß in dem Mickymaus-Pantoffel darauf.
    Der Wagen rutschte dem Steilhang entgegen, prallte an der Leitplanke ab, drohte, sich zu überschlagen, landete auf dem Kühlergrill, und für einen Moment sah es aus, als würde er den zerklüfteten Hang hinunterstürzen.
    Schließlich kippte er schwerfällig in seine Ausgangsposition zurück.
    Kurze Stille. Dann eine Wagentür, die zugeschlagen wurde. Zitternd und mit unsicherem Schritt kam der Lastwagenfahrer auf sie zu.
    Das Geräusch eines heulenden Motors riss den kleinen Mann aus seiner Benommenheit. Seine Augenbraue war aufgeplatzt, und das Blut, das ihm ins Auge lief, machte ihn blind. Nadja hielt erstarrt das Lenkrad umklammert. Sie hörte den näher kommenden Wagen und wandte langsam den Kopf um. Hoffentlich war das Marcel!
    Der kleine Mann öffnete die Tür und riss Momo an sich. Er rannte durch den Regen. Momo begann zu schreien. Nadja sprang aus dem Wagen und verstauchte sich den Knöchel.
    Der LKW-Fahrer kam mit ausgestreckten Armen auf den kleinen Mann zu.
    »Warten Sie, ich helfe Ihnen!«
    Ohne stehen zu bleiben, versetzte ihm der kleine Mann einen Stoß. Der andere sah ihn verblüfft vorbeirennen.
    »Halten Sie ihn auf, er nimmt Ihren Laster!«, brüllte Nadja und war selbst erstaunt, wie kräftig ihre Stimme war.
    Ein im Regen dampfender Lastwagen, ein Auto mit zerbrochener Windschutzscheibe, Glassplitter, der Geruch nach verbranntem Gummi, die strauchelnde Nadja, Contadini, der mit dem Kind im Arm weglief, der LKW-Fahrer mit hängenden Schultern - Jean-Jean machte eine Vollbremsung.
    Marcel und Costello sprangen mit gezogener Waffe auf die Straße.
    »Stehen bleiben!«, brüllte Costello.
    »Nicht schießen, er hat Momo!«, schrie Nadja zurück.
    Der kleine Mann klammerte sich mit einer Hand an den Türgriff des Lasters und zerrte Momo auf das Trittbrett.
    Sie erwischen mich nicht, nie, nie! Lieber krepiere ich mit dem Gör. Lieber fahre ich mit dem Laster die Böschung hinunter. Explodieren wie ein Stern. Den Himmel erleuchten wie einer dieser verdammten Blitze. Verbrennen, endlich in der Hölle verbrennen, wo es nur noch Glut, Asche und dunkles Schwirren g ibt .
    Er zog Momo fester an sich. Marcel trat einen Schritt vor. Jean-Jean hielt ihn zurück. Nadja biss sich in die Hand.
    Der verblüffte Lastwagenfahrer fröstelte im strömenden Regen.
    Hinter den Baumkronen dämmerte der Morgen.
    Als der kleine Mann ihn unter dem Armaturenbrett hervorgezerrt hatte, hatte Momo das Rasiermesser genommen und gegen seinen Oberschenkel gedrückt. Er überlegte nicht, er dachte gar nichts,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher