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Der Puppendoktor

Der Puppendoktor

Titel: Der Puppendoktor
Autoren: Brigitte Aubert
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Frau stirbt, das Kind überlebt, indem es seine eigene Mutter frisst … Und es liegt ein Beil neben dem Bett. Eine Gewitternacht.«
    »Wie in einem Horrorfilm«, sagte Nadja.
    »Der Vorteil eines Horrorfilms ist, dass er von begrenzter Dauer ist.«
    »Dieses abgebrannte Haus, steht davon noch irgendwas?«, fragte Marcel plötzlich.
    »La Palombiere? Ich weiß nicht. Am besten fahren wir hin und sehen nach. Ich habe die Adresse aufgeschrieben. Bis jetzt wurde unser Mann noch nirgendwo gesehen.«
    »Er hat sich abgesetzt, bevor die Straßensperren errichtet wurden.«
    »Ich weiß nicht, ob es nicht besser wäre, wenn Sie hier blieben«, meinte Jean-Jean an Nadja gewandt.
    »Lassen Sie mich mitkommen. Wenn Momo sterben muss, will ich da sein. Geben Sie mir eine Chance, ihn zu retten.«
    Jean-Jean zuckte die Achseln. Er nahm den Telefonhörer ab.
    »Schick mir Costello und Ramirez. Sie sollen zum Tanneron kommen. 65, Chemin des Grenouillers, Villa La Palombiere. Nein, kein Mannschaftswagen. Sie sollen diskret vorgehen. Keine Scheinwerfer, hundert Meter vorher anhalten.«
    Er legte auf und drehte sich zu Marcel und Nadja um.
    »Also, gehen wir?«

KAPITEL 15
    Die Nacht war lau und duftend wie eine Rosenblüte, heiß und zart wie eine Liebkosung.
    Für Momo aber war die Nacht eine brennende Wunde. Der kleine Mann hielt ihn fest an sich gepresst. Er hatte den Arm um seinen Hals gelegt und erstickte ihn fast. Momos Füße berührten kaum den Boden. Sein kleines Herz pochte unter seiner Pyjamajacke. Er musste schrecklich nötig Pipi machen und fürchtete, sich nicht mehr lange beherrschen zu können.
    Der Mann hatte ihn aufs Land gebracht. Dort war es dunkel, kein Mond, keine Vögel, ganz anders als im Fernsehen. Das unablässige Zirpen der Zikaden machte ihm Angst, es klang, als hielte sich ein Heer von Menschenfressern in den Bäumen verborgen und wetzte die langen Messer.
    Der Irre hatte ihn aus dem Lieferwagen gezerrt, und das Gras war gegen seine Waden geschlagen. Jetzt hielten sie sich hinter der verfallenen Mauer einer Ruine versteckt. Die raue Stimme einer Kröte ertönte ganz nah an seinem Ohr, und Momo fröstelte bei der Vorstellung, dass die schleimige Zunge seine Füße leckte.
    Der kleine Mann brummte etwas Unverständliches. Obwohl es stockfinster war, hatte er seine Sonnenbrille nicht abgenommen. In seiner rechten Hand blitzte die Klinge des Rasiermessers, das seinem Großvater die Kehle durchgeschnitten hatte. Beim Gedanken an ihn wäre er fast in Tränen ausgebrochen. Er war gestorben wie in einer Fernsehserie - laut schreiend und mit verdrehten Augen.
    Jetzt musste er aber wirklich Pipi machen.
    »Ich muss mal«, sagte er deutlich.
    Der Mann verstärkte den Druck um seinen Hals.
    »Sei still!«
    »Aber ich kann nicht mehr.«
    »Ich muss auch Pipi machen«, sagte der kleine Mann plötzlich mit einer sonderbar kindlichen Stimme.
    Er ließ Momo los, der sich den Hals rieb. Der kleine Mann hockte sich hin und fing an, wie eine Ente zu watscheln.
    »Paolo muss auch Pipi machen, aber er hat Angst im Dunkeln.«
    »Ich habe auch Angst im Dunkeln«, sagte Momo freundlich.
    Vielleicht war der Monsieur verrückt wie die Verrückten in den Videofilmen bei seinem Freund Eric. Momo wusste, dass man ganz nett mit ihnen reden und so tun musste, als merke man nicht, dass sie verrückt waren.
    »Du bist noch nie im Dunkeln, im wirklichen Dunkeln gewesen«, entgegnete der kleine Mann zornig, und das Rasiermesser blitzte in seiner Hand.
    »Nein, nie. Bin ich nie gewesen. Das muss Angst machen … Man soll nie ins Dunkel gehen.«
    »Schnauze, kleiner Schwachkopf! Das Dunkel ist voller Zähne, Zähne, die an dir kauen, die dich fressen, die deine Knochen abnagen .«
    Momo fühlte, dass er kraftlos wurde. Er musste auf der Stelle Pipi machen. Zu spät. Schon lief es warm seine dunklen Beine hinunter. Der kleine Mann hatte seine Jeans aufgeknöpft und erleichterte sich an der Mauer. Ganz in der Ferne war ein Auto zu hören. Der kleine Mann knöpfte seine Hose rasch wieder zu, packte Momo am Hals, zog ihn an sich.
    »Du hast dich voll gepinkelt, kleines Schwein.«
    »Pardon, Monsieur, Pardon.«
    »Das nächste Mal schneide ich ihn dir ab, hörst du?«
    »Ich tu's nie wieder … ganz bestimmt nie wieder!« »Sei still, verdammt!«
    Der kleine Mann schlug ihm mit der Faust auf den Kopf. Ungewollt kamen Momo die Tränen. Er sah die traurigen Augen von seinem Großvater und das rote Blut, das überall floss. Wenn er groß war, würde
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