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Der Puppendoktor

Der Puppendoktor

Titel: Der Puppendoktor
Autoren: Brigitte Aubert
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er ein Gewehr nehmen und den kleinen Mann erschießen, (a, er würde ihn mit aller Kraft tot machen.
    Der Wagen kam näher. Der kleine Mann fing an, mit den Zähnen zu knirschen, das machte ein komisches Geräusch im Dunkeln, ein Geräusch, das gar nicht lustig war.
    Jean-Jean stellte den Motor ab und schaltete die Scheinwerfer aus. Ein Windstoß bewegte die Zweige der Olivenbäume am Straßenrand. Der Gesang der Zikaden erinnerte Marcel an das Picknick vom letzten Sonntag. Wie lang das schon zurücklag! Nadja saß auf dem Rücksitz und sagte nichts. Marcel drehte sich zu Jean-Jean um.
    »Was machen wir?«
    »Erst mal sehen wir nach, ob sein Wagen da ist. Wir müssen sehr, sehr behutsam vorgehen. Er hat den Kleinen dabei.«
    »Das wissen wir, danke!«, unterbrach ihn Nadja.
    Jean-Jean sah sie verwundert an. War es etwa sein Sohn, der so blöd gewesen war, sich von einem Irren entführen zu lassen?
    »Warum fordern Sie keine Verstärkung an?«, fragte sie.
    »Eine Spezialeinheit, oder so was.«
    »Wenn der Bursche in Panik gerät, ist Ihr Sohn tot, verstanden? Also lassen Sie uns die Sache auf unsere Weise regeln.«
    Marcel war lautlos aus dem Wagen gestiegen, den Revolver in der Hand. Jean-Jean folgte ihm.
    »Rühren Sie sich nicht von der Stelle«, flüsterte er Nadja zu.
    Sie nickte stumm, das Gesicht angespannt.
    Vorsichtig schlichen sie vorwärts, passten auf, nicht auf knackende Äste zu treten, und lauschten auf die nächtlichen Geräusche.
    Hinter ihnen hielt ein Fahrzeug an.
    »Ramirez und Costello«, murmelte Jean-Jean.
    Sie blieben unter einer Zypresse stehen. Marcel lauschte ins Dunkel. Rasche Schritte. Der keuchende Ramirez, gefolgt vom schmächtigen Costello, tauchte ganz in der Nähe auf.
    »Was ist los?«, fragte Ramirez.
    »Pst!«, machte Jean-Jean und fasste die Situation kurz zusammen.
    »Wir hätten die Gendarmerie einschalten sollen«, meinte Costello.
    »Ramirez, du passt auf die Wagen auf«, befahl Jeanneaux, ohne zu antworten. »Du rührst dich nicht von der Stelle. Blanc, Sie kommen mit. Costello, du gibst uns aus zwanzig Schritt Entfernung Deckung. Wenn wir an der Ruine angekommen sind, nimmst du das Megafon. Und bringst dich in Sicherheit. Blanc, wir gehen.«
    Ramirez bedachte Marcel mit einem missgünstigen Blick. Seit wann liefen die Uniformierten mit gezückter Knarre neben den oberen Dienstgraden her? Und er, was sollte er tun? Den Verkehr regeln auf dieser gottverlassenen Straße?
    Die Lichter der Stadt glänzten unter den sich türmenden Wolken. Donnerdröhnen hinter den Bergen. Der Wind wurde stärker. Blätter wurden über den Boden gefegt. Marcel und JeanJean schlichen an der Umfriedungsmauer des Anwesens entlang. Erneutes Donnerdröhnen, diesmal näher, und ein gewaltiger Blitz zerteilte den Himmel über dem Meer. Die Luft roch nach Regen. Das Gewitter war nah.
    In wenigen Metern Entfernung erhob sich die Ruine der abgebrannten Villa. Unter einer großen Platane stand ein blauer Lieferwagen. Marcel sah ihn erst, als er schon dagegengelaufen war. Er war leer.
    Costello war unruhig. Er fühlte sich nicht wohl auf dem Land. Viel zu ruhig. Er brauchte den Lärm der Großstadt, starken Espresso, Auspuffgase. Für ihn war das Land wie ein Versteck auf einem Friedhof. Fast rechnete er damit, einen Vampir aus dem Dunkel auftauchen zu sehen, gefolgt von einer Horde bleicher und gieriger Gestalten. Außerdem hatte er solchen Durst, dass ihm der Hals beim Schlucken wehtat. Er trat auf einen kleinen Zweig, der ein unheimliches Knacken von sich gab. Sehnsüchtig beschwor er den Geruch von Asphalt herauf, der in der Mittagshitze schmolz.
    Der kleine Mann schwitzte fürchterlich. Momo ekelte sich vor dem starken, säuerlichen Schweißgeruch. Er hatte Durst, hatte Hunger, hatte Angst. Der kleine Mann knirschte nicht mehr mit den Zähnen, dafür atmete er schwer und schnell, und Momo fühlte, wie sein Herz unter der Haut schlug. Und er wünschte mit aller Macht: Der Polizist wird kommen und ihn töten. Der Polizist wird kommen und ihn töten … Er stellte sich den kleinen Mann vor, zertrampelt unter Marcels riesigem Schuh, geschmolzen wie ein Ungeheuer in einem Comic, verwandelt in giftgrünes Gelee. Und dieser Gedanke tröstete ihn ein wenig.
    Der kleine Mann bewegte sich einen halben Meter weiter und zog Momo mit. Eine Öffnung in der verfallenen Mauer gewährte einen Ausblick auf die Umgebung des Anwesens. Der Wind wehte in kurzen Böen, heulte auf und schüttelte die Baumkronen.
    Was für ein
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