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Der Puls von Jandur

Der Puls von Jandur

Titel: Der Puls von Jandur
Autoren: Mara Lang
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    Matteo drehte sich um, sah wie Fabian die Treppe herunterkam und Jonas zunickte. Dann war da ein Rauschen, Matteo krampfte sich wie unter einem Schlag zusammen – und Jonas befand sich mit einem Mal auf der anderen Seite und lief auf Fabian zu.
    Matteo konnte nicht darüber nachdenken, wieder traf ihn ein Schlag. Diesmal war es Albin. Den Turnbeutel über seinem Kopf kreisend marschierte er in Richtung Sporthalle. Matteo fuhr herum, starrte für einen Sekundenbruchteil in Ellas blaue Augen, dann trat sie durch ihn hindurch, als wäre er Nebel. Oder ein Sonnenstrahl.
    Der nächste Schüler ging durch die Tür. Wieder einer. Und wieder. Schlag folgte auf Schlag, der Druck wurde stärker, mittlerweile tat es beinahe weh. Matteo ging in die Knie, in seinen Ohren prasselte es. Sein Denken setzte aus, er schrie.
    Nach einer gefühlten Ewigkeit war es vorbei.
    Matteo kauerte in der offenen Tür und versuchte sich zu fangen. Er war völlig fertig. Genauso erschöpft wie nach dem Halbmarathon, den er im Frühling in Graz gelaufen war.
    »Ich bin tot. Tot.« Brennend heiß schoss die Erkenntnis durch seinen Kopf und vernichtete jeden anderen Gedanken.
    Die Tür wurde zugeknallt, fuhr wie ein Stromstoß durch ihn hindurch. Er konnte die Holzstruktur sehen, die Fasern, die rote Lackschicht. Er konnte das Holz riechen und spüren. Er war im Inneren der Tür. Er war die Tür. Der Druck nahm ihm fast den Atem. Entsetzt kroch er in den Klassenraum.
    »Du bist nicht tot«, sagte jemand.
    »Doch«, gab er ganz automatisch zur Antwort. »Ich muss tot sein. Es ist die einzige Erklärung …« Moment, mit wem sprach er da? Wer sprach mit ihm?
    Sein Blick flackerte hoch.
    Sie saß auf dem niedrigen Schrank neben dem Lehrertisch, ließ die Beine baumeln und klopfte mit den Fersen in gleichbleibendem Rhythmus gegen die Seitenwand.
    Und sie sah ihn an.
    Ihn.
    Ihr Aussehen war so absonderlich, dass Matteo sie sofort als Hirngespinst abtun wollte.
    Ihrer dunkel getönten Haut und den fein definierten Gesichtszügen nach zu urteilen war sie nicht europäischer Herkunft. Vielleicht Marokkanerin oder Tunesierin, tippte er. Fünfzehn, sechzehn?
    Ihre Haare waren der absolute Hammer. Sie waren zu dicken Dreadlocks gedreht – und grün. Nicht dieses abscheuliche Giftgrün, sondern ein sattes, warmes Grün, wie Gras auf einer Sommerwiese. Was für eine irre Farbe!
    Als ihm bewusst wurde, dass er sie unverhohlen anstarrte, löste er seinen Blick von ihrer Frisur, der aber gleich darauf an ihren auffällig langen Wimpern hängen blieb. Die konnten nur künstlich sein. Sofort verwarf er den Gedanken wieder, sie hatte nicht einen Hauch Schminke im Gesicht.
    Auffordernd hob sie die Brauen. »Na? Kommt noch was oder war’s das?«
    Matteo blinzelte. »Was?«
    » Du musst tot sein, die einzige Erklärung – und weiter? Du hast mitten im Satz abgebrochen.«
    Hatte er? »Du kannst mich sehen?«
    Sie kicherte in sich hinein. »Natürlich kann ich dich sehen. Und hören auch, stell dir vor.«
    Matteo wies auf die Tür. »Aber die anderen …«
    »Die anderen sind nicht wie ich.«
    Wie wahr. Keines der Mädchen aus seiner Klasse würde sich derart stylen. Sie trug eine knielange, schwarze Hose aus Latex, enganliegend wie eine zweite Haut, dazu ein grün-blau gemustertes Trägertop über einer weißen Netzbluse und knallblaue Schnürstiefel mit gelben Schuhbändern, aus denen pinkfarbene Socken hervorblitzten.
    »Ich bin eine Squirra«, setzte sie hinzu. »Ich sehe mehr.«
    »Squirra«, wiederholte Matteo stupide. Dutzende Fragen schossen durch seinen Kopf, doch er brachte kein Wort heraus.
    Fasziniert betrachtete er ihre fingerlosen Handschuhe, die ebenfalls aus Latex gefertigt waren. Sie reichten ihr bis zum Ellenbogen und bedeckten Handfläche und Handrücken. An jedem Finger steckte ein zentimeterbreiter silberner Ring, sogar am Daumen.
    Am sonderbarsten aber war der Anhänger, der an einem Lederband um ihren Hals hing: eine goldene Spirale, über und über mit braunen Ornamenten verziert.
    »Inspektion beendet?«, fragte sie. »Gefällt dir mein Aufzug? Habe ich von einem Händler ganz in der Nähe. Sieht spannend aus, nicht?«
    Matteo nickte stumm. Spannend – ihm wäre kein besserer Ausdruck eingefallen. In jedem Fall war dieses Mädchen kein Hirngespinst.
    »Oh, entschuldige!«, rief sie. »Ich habe mich noch nicht vorgestellt. Ich bin Lith.«
    »Matteo.« Er rappelte sich auf. Wider Erwarten trugen ihn seine
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