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Der Prinzessinnenmörder

Der Prinzessinnenmörder

Titel: Der Prinzessinnenmörder
Autoren: Andreas Föhr
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habe, hätten da überhaupt keinen Sinn dafür gehabt und alles kaputt getreten und Zigarettenkippen fallen lassen. Der Schaden halte sich freilich in Grenzen, weil für die Spurensicherung bei dem vielen Schnee ohnehin nicht viel zu holen sei.
     
    »Was ist da passiert?«, fragte Wallner mit Blick auf die Leiche.
    »Ich hab net die geringste Ahnung. Das Mädel ist etwa fünfzehn. Tina meint, sie hätt sie mal gesehen. Vielleicht an der Schule.«
    Das rief Wallner in Erinnerung, dass Tina eine fünfzehnjährige Tochter hatte. Er sah Tina neben dem Gesicht des toten Mädchens knien. Sie hatte eine Hand der Toten in der ihren und suchte unter den Fingernägeln nach Hautpartikeln und anderen Fremdkörpern.
    »Ist das gut, dass Tina die Leiche …«
    »Sie hat gesagt, es wär okay«, sagte Mike. Aber auch er hatte offenbar Zweifel, ob ausgerechnet Tina die Leiche untersuchen sollte.
    Wallner verzichtete darauf, zu Tina zu gehen. In diesem Stadium hatte er unmittelbar am Tatort nichts verloren. Das war jetzt das Reich der Spurensicherung. Lutz kam auf sie beide zu. Er hatte den Plastikbeutel dabei, aus dem es so golden schimmerte, und ließ ihn jetzt neben den Tisch plumpsen. Wallner versuchte zu erkennen, was darin war. Es sah aus wie Brokat.
    »Schöne Scheiße«, begann Lutz das Gespräch.
    »Ja, ziemlich jung, das Mädel«, meinte Wallner.
    »Und schau dir mal den Tatort an. Das sind ja Vandalen.« Lutz meinte die Feuerwehr.
    »Ist nicht so wild, wie’s ausschaut. Die Leiche ist da ja nur aufgetaucht. Weiß jemand, wo sie in den See geworfen wurde?«
    »Vom Ufer aus kann sie kaum dort hingetrieben worden sein. Wir haben mal das Bodenprofil vom See unter die Lupe genommen.« Mike zog eine gefaxte Karte des Spitzingsees hervor, auf der akribisch die Höhenlinien eingetragen waren. Er deutete auf ein Kreuz, das den Fundort der Leiche markierte. »Da hätte die irgendwann bergauf treiben müssen.«
    Wallner warf einen flüchtigen Blick auf die Karte, nahm einen Schluck von dem Kaffee, der inzwischen nur noch handwarm war, und wandte sich an Lutz. »Wie lange ist sie da unten gelegen?«
    »Schwer zu sagen. Bei dem kalten Wasser ist die Verwesung erheblich verlangsamt. Das müssen die in der Gerichtsmedizin klären. Ich sag mal so: Sie schaut ziemlich frisch aus.«
    »Wie lange ist der See schon zugefroren?«
    Mike zuckte die Schultern. »Genau hat das hier keiner gewusst. Die vom Hotel sagen, dass sie schon Silvester auf dem Eis gewesen sind.«
    Wallner ließ seinen Blick über den See schweifen. »Das heißt, die Leiche wurde vor Silvester in den See geworfen oder jemand hat ein Loch ins Eis gehackt, um sie zu versenken. Gibt’s eine Vermisstenanzeige?«
    Mike schüttelte den Kopf. »Nicht hier, nicht in Bayern. Die anderen Bundesländer checken wir gerade. Aber wahrscheinlich ist sie eh aus dem Landkreis. Tina hat gesagt …«
    »Ja, hast du erzählt.« Wallner blinzelte in die aufgehende Sonne. »Irgendwas stimmt hier doch nicht. Eine Fünfzehnjährige, die Tage oder Wochen abgängig ist – das muss doch mal einer gemeldet haben.«
    »Mei – es passieren die seltsamsten Sachen.«
    Mit dieser Erklärung war Wallner nicht wirklich zufrieden. Aber im Augenblick fiel ihm auch nichts Besseres ein. Er nahm den Plastiksack und betrachtete den Inhalt.
    »Goldbrokat?«
    »Ein goldenes Kleid. So eine Art Prinzessinnenkleid für den Fasching.«
    »Das hatte die Tote an?«
    »Ja.«
    »Das kann nicht sein, dass sie nach einem Faschingsfest erstochen und in den See geworfen wurde? Mal ganz blöd gefragt.«
    »Kaum«, meinte Lutz. »Unter so einem Kleid trägt man normalerweise Unterwäsche.«
    »Du meinst, sie hatte nur das Kleid an?«
    »Ja. Und sie ist in dem Kleid auch nicht erstochen worden. Es gibt keine Einstichstelle im Kleid.«
    »Das heißt, der Mörder …«
    »… hat ihr das Kleid hinterher angezogen.«
    Wallners Blick wanderte zu der Leiche des Mädchens. Er hatte schon den einen oder anderen Mord erlebt. Der Landkreis Miesbach war nicht die Bronx. Aber ein bisschen gemordet wurde immer. Wallner hatte auch brutalere Morde als diesen gesehen. Blutbäder mit verstümmelten Leichen. Aber die Gründe waren immer die gleichen: Eifersucht. Drogen. Habgier. In neun von zehn Fällen stand der Täter innerhalb einer Stunde fest, man musste ihn nur finden und festnehmen. Der Rest war irgendwie kalkulierbar. Das hier war anders. Der Mörder dieses Mädchens hatte keines der üblichen Motive. Er wollte durch die Machart
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