Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Prinzessinnenmörder

Der Prinzessinnenmörder

Titel: Der Prinzessinnenmörder
Autoren: Andreas Föhr
Vom Netzwerk:
Winter. Das heißt von Ende September bis Anfang Mai. Wallner litt an einem Leiden, das sonst zumeist den Frauen nachgesagt wird: Wallner fror. Ständig. Im Winter sowieso. Aber auch im Sommer. Wenn andere Männer nachts im Biergarten ihre Unverfrorenheit zur Schau stellten, wenn sie, als sei man in der Karibik, in T-Shirt oder dünnem Baumwollhemd unterm freien Sternenhimmel saßen, trug Wallner schon Strickjacke oder einen Wollpullover, von denen er eine große Auswahl besaß. Wallners größter Feind aber war der Luftzug. Nicht dass sich Wallner Sorgen um seine Gesundheit machte. Er fror einfach, wenn es zog. Andere Menschen waren oft erstaunlich unsensibel in der Hinsicht. Wallner hingegen hatte die empfindlichsten Antennen für Luft, die nicht stillstehen wollte. Hier am See war die Luft still. Bei minus dreizehn Grad.
     
    Auf einer Wiese am See stand ein Campingtisch im Schnee. Auf dem Tisch Pappbecher und Thermoskannen. Wallner kannte den Tisch. Die Kollegen vom K 3 , der Abteilung für Spurensicherung, führten den mit. Eine Insel der Kaffee-und-Kuchen-Gemütlichkeit an traurigen Orten. Sogar ein Teller mit Plätzchen stand darauf. Wallner ging zum Tisch und zapfte sich einen Becher dampfenden Kaffee. Während er sich umsah, trank er in kleinen Schlucken. Der Becher wärmte die Finger. Wallner griff gerade nach einem Zimtstern, als ihm der Gedanke kam, dass der Zimtstern wahrscheinlich steinhart gefroren war. Aber da hatte er ihn bereits in der Hand. Er drückte den Stern ein bisschen zwischen den Fingern. Man hätte damit eine Windschutzscheibe einschmeißen können. Wallner überlegte, ob er den Zimtstern zurücklegen sollte, entschied dann aber, ihn in die Tasche seiner Daunenjacke zu stecken.
     
    In einiger Entfernung sah er Tina und Lutz, die an der nackten Leiche einer jungen Frau arbeiteten. Die Leiche lag auf dem Eis. Daneben hatte man in einer großen durchsichtigen Plastiktüte etwas Goldenes verstaut. Wallner konnte nicht erkennen, was es war. Nur, dass es groß war. Eigenartig groß. Was sollte eine Wasserleiche so viel Gold bei sich haben? In diesem Augenblick fiel ein erster Sonnenstrahl auf das goldene Ding. Und es war, als ginge es in Flammen auf, so leuchtete es. Als habe einer ein Lagerfeuer auf dem gefrorenen See entfacht.
     
    »Als Letzter kommen, nix arbeiten und den anderen an Kaffee wegsaufen. San doch immer die Gleichen.«
    Wallner blickte in Mike Hankes übernächtigtes Gesicht, das gleichwohl spitzbübische Laune verstrahlte. Mike gluckste und freute sich wie ein Kind über den Spruch, den er schon Dutzende Male angebracht hatte. Wallner goss Mike einen Kaffee ein und reichte ihm den Becher.
    »Hier. Tu was für dein Gesicht. Was sind denn das für Ringe um die Augen?«
    »War gestern noch mit dem Kreuthner unterwegs.«
    Wallner war um die frühe Zeit noch nicht auf der Höhe seiner geistigen Beweglichkeit. Aber »Kreuthner« sagte ihm etwas.
    »Hat der nicht die Leiche gefunden?«
    »Hat er«, sagte Mike und nickte dabei, als mische dieser Umstand dem Fall besondere Tragik bei.
     
    Mike berichtete, was vorgefallen war. Wie der Kreuthner vom Mautner in den Morgenstunden noch an den Spitzingsee gefahren war und dort unterm Eis die Leiche gesehen hatte. Er habe nicht lange gefackelt und die Kripo verständigt, weil ihm sofort klar gewesen sei, dass da Fremdverschulden im Spiel war. Er habe sogar gewusst, dass Tina in dieser Nacht Bereitschaft hatte, und sie direkt zu Hause angerufen. Tina habe zunächst an eine Wichtigtuerei des Kreuthner geglaubt und dieser Vermutung mit ein paar derben Sätzen – man kenne Tina ja – bei ihrer Ankunft am Tatort Ausdruck verliehen, sich dann aber bei der Untersuchung der Leiche selber von der Angemessenheit der vom Kreuthner ergriffenen Maßnahmen überzeugen können. Soweit Mike mitbekommen hatte, war unter dem linken Rippenbogen eine große Einstichwunde – mitten ins Herz. Kreuthner habe nach der Entdeckung der Wunde Tina auf die bösen Verdächtigungen bei ihrer Ankunft angesprochen und gemeint, ob da nicht eine kleine Entschuldigung angebracht sei. Tina habe dem Kreuthner entgegnet, er solle sich lieber von ihrem Tatort verpissen, was der Stimmung nicht eben zuträglich gewesen sei. Das mit dem Tatort sei auch ungerecht gewesen, da Kreuthner tadellose Vorkehrungen zu dessen Sicherung getroffen, vor allem für die Einrichtung eines Trampelpfades Sorge getragen habe. Aber die »Sackgesichter von der Feuerwehr«, wie Kreuthner sie genannt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher