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Der Prinzessinnenmörder

Der Prinzessinnenmörder

Titel: Der Prinzessinnenmörder
Autoren: Andreas Föhr
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wir haben Ihnen etwas geschickt. Das wird Sie interessieren.«
    »Tut mir leid. Die Zeit ist um.« Rathberg wandte sich wieder dem Mädchen zu.
    »Es dauert nicht lang«, sagte Wallner. »Checken Sie Ihre E-Mail.«
    Rathberg hielt inne, zögerte, drehte sich um und ging wieder zu seinem Computer. Die Kamera erfasste nur noch wackelige Ausschnitte seines Körpers, als er am Rechner hantierte. Wallner wandte sich an Mike.
    »Können wir sehen, was der Haidmüller ihm geschickt hat?«
    Mike nickte und tippte etwas in das Terminal, vor dem er saß. Auf dem Bildschirm erschien ein Foto. Es zeigte die Leiche von Gertraud Dichl. So wie sie auf dem Schnee in Wallners Hof gelegen hatte. Es war das Polizeifoto, das Lutz damals gleich nach seinem Eintreffen aufgenommen hatte. Bis auf ein Detail: Das Foto war bearbeitet. Das Gesicht des Opfers war nicht das Gesicht von Gertraud Dichl. Es war Lisas Gesicht. Haidmüller hatte es von dem Foto eingescannt, das Wallner ihm gegeben hatte.
    Rathberg zuckte zurück, als er das Bild auf seinem Laptop öffnete. Er war ganz offensichtlich irritiert. Sein Blick flackerte. Eine Sekunde der Orientierungslosigkeit. Langsam wandte er sich dem Mädchen zu, betrachtete es still. Der Bildschirm zeigte jetzt Rathbergs Rücken. Seine rechte Hand umklammerte den Griff des Stiletts, sie zitterte. Wallner hielt den Atem an. Würde Rathberg in einer unkontrollierten Gefühlseruption auf das Mädchen einstechen? Oder würde die Fotomontage ihn zum Nachdenken zwingen? Nur ein Hauch gewöhnlichen Mitgefühls würde ausreichen, Rathbergs Wahngebäude zum Einsturz zu bringen. Wallner überlegte, Rathberg anzusprechen, entschied aber, nicht zu stören, während die Bilder ihre Wirkung in Rathbergs Kopf entfalteten. Es kam Bewegung in den Bildschirm. Rathberg drehte sich um. Sein Gesicht tauchte vor der Kamera auf. Es war starr und beherrscht und absolut regungslos.
    »Ich nehme mal an, diese Geschmacklosigkeit ist in Ihrem Spießergehirn entstanden.«
    »Geschmacklos!« Wallner ließ sich so viel Zeit wie möglich. »Klingt seltsam aus Ihrem Mund. Aber lassen wir das. Es liegt mir fern, Sie zu beleidigen. Die Darstellung ist etwas drastisch. Aber sie richtet sich auch an jemanden, der selber nicht zimperlich ist.«
    »Oh! Sie wollen mir damit etwas sagen. Lassen Sie mich raten.«
    »Bitte.«
    »Sie wollen mir sagen, jedes Mädchen, das ich getötet habe, hätte auch meine eigene Tochter sein können. Nicht sehr subtil, aber deutlich.«
    »Ja. In der Tat. Sie haben es erkannt. Es freut mich, dass ich Ihnen das schon mal näherbringen konnte.«
    Rathberg schob sein Gesicht jetzt ganz nah an die Kamera heran. »Hören Sie zu. Denn es ist das Letzte, was Sie von mir zu hören bekommen. Ich weiß nämlich eins sehr genau: Die jungen Menschen, denen ich das hier ins Herz gesteckt habe«, Rathberg hielt das Stilett zwischen sein Gesicht und die Kamera, »das waren nicht meine Kinder. Das waren die Kinder der Leute, die meine Tochter umgebracht haben.« Rathberg verlor mit einem Mal die Kontrolle über sein Gesicht. Es verzog sich zu einer wutspeienden Fratze. Rathberg schrie auf die Kamera ein. »Lisa ist vor siebzehn Jahren elend im Eis verreckt! Sie ist tot! Tot! Verstehen Sie? Meine Tochter ist tot!!!«
    Wallner war klar, dass ihm die Sache in diesem Moment aus den Händen glitt. Wenn er den Gang der Dinge in irgendeiner Weise beeinflussen wollte, dann musste er das in den nächsten drei Sekunden tun.
     
    Beni Schartauer ließ den Strahl der Taschenlampe einen guten Meter vorausleuchten. Was er im fahlen Licht auf dem Boden des unterirdischen Ganges sah, enttäuschte ihn. Insgeheim hatte er im Staub der Jahrhunderte Dinge zu sehen gehofft, die dem Staub der Jahrhunderte angemessen waren. Den verrosteten Helm eines kleinwüchsigen Ritters, auf der überstürzten Flucht vor dem Bauernmob vom Kopf gestoßen; den Schuh eines Pfaffen, in ebensolcher Eile verloren, während heidnische Heerscharen bereits den Friedhof schändeten. Doch statt der Zeugnisse einer wechselhaften Vergangenheit säumten Bierflaschen und Getränkedosen den Weg, dazu die durch die Abwesenheit von UV-Licht farbecht erhaltene Kunststoffpackung einer seit zwanzig Jahren nicht mehr existenten Kartoffelchipsmarke. Auf halbem Weg lud ein verdrecktes Mickymaus-Heft zum Verweilen ein, das mittlerweile antiquarischen Wert besitzen mochte. Als Beni Schartauer jedoch die Hand ausstreckte, um die Kostbarkeit zu bergen, stieß ihm Kreuthner von hinten den
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