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Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition)

Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition)

Titel: Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition)
Autoren: Cordula Simon
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doch, was er gesehen hatte. Seine Augen täuschten ihn nicht. Nicht einmal bei Täuschungsbildern, immer fand er den Fehler.
    Serjoga kicherte weiter: »Aber auch Fut und Schwanz … verstanden? Hä? Die Fut auf dem Schwanz? Ach. Du kennst dich wieder mal nicht aus.«
    »Oder der Tote weiß nicht wohin, oder hat sich’s auf halbem Weg anders überlegt. Vielleicht gibt es deine Geister ja tatsächlich, Serjoga, und der Tote ist einfach ohne Plan. Ja, vermutlich weiß er einfach nicht, was er will.«

IV
    Дождь идёт с утра, будет, был и есть.
И карман мой пуст, на часах шесть.
Папирос нет и огня нет,
И в окне знакомом не горит свет.
    Время есть, а денег нет
И в гости некуда пойти.
    И куда-то все подевались вдруг,
Я попал в какой-то не такой круг,
Я хочу пить, я хочу есть,
Я хочу просто где-нибудь сесть.
    Виктор Цой
    Anatol Grigorjevič wusste genau, was er wollte. Nach Hause. Er hätte um Geld bitten sollen, das wusste er, doch kam es ihm absurd vor, gerade die Zigany, die sonst stets um Geld baten, ganz gleich, wo in der Stadt man sie traf, anzubetteln. Und diese boten immerhin etwas für die Spende, zumindest behaupteten sie das, segneten, wünschten Glück, Gesundheit, Liebe, dass Gott viele Kinder gebe und die Erfüllung der Pflichten leichtfalle. Das taten sie schon für einen Rubel und für einen Gegenwert von hundert vertrieben sie Geister, Dämonen und Teufel, die sie in den Gesichtern jener, die nicht von sich aus geben wollten, zu sehen behaupteten. Nur klangen ihre Stimmen niemals, als glaubten sie an ihre eigene Magie. Auch der Rubel für den Fährmann erschien ihnen wohl unnötig. Ein Wunder, dass sie mich nicht vertrieben haben, Anatol seufzte, kratzte sich im Schritt, als er auf den Hund wartete, der einen Baum markierte, er hatte lange nicht bemerkt, dass der Hund ihn begleitete. Zu früh war es noch, es waren noch zu wenige Leute auf der Straße. »Als wäre der Hund verreckt«, nuschelte er. Er würde niemanden um Geld für die Maršrutka oder Tramvaj bitten können. Der öffentliche Transport war heute keine Möglichkeit. Nur die alten Frauen in ihren Schürzen, die früh aufstanden, um zum Markt zu fahren, um anzubieten oder nachzufragen, waren bereits unterwegs. Sie gaben nichts, er musste gar nicht fragen. Ein Mann Mitte zwanzig, der um Geld bat, konnte nur ein Taugenichts sein, dem nicht geholfen ist, wenn man ihn in eine Straßenbahn setzte. Er würde zu Fuß gehen müssen. Die Morgenluft juckte in den Augen. Die Frauen fütterten einander mit Wörtern, Belangloses galt es um diese Zeit zu besprechen an der Haltestelle. Wie froh war er, gerade in dem Augenblick, dass die Zigany ihn nicht mit belanglosen Worten überschüttet hatten, wie sie es getan hätten am helllichten Tag auf der Straße. Ein nicht endendes Klappern von Absätzen, Münzen und Flüchen. Die Straßenlaternen flackerten, gingen gerade aus. Der Vodka drehte seinen leicht benommenen Kopf, wo war der Hund geblieben? Er würde zu Fuß gehen müssen, sie beide, falls der Hund ihm folgte. Leichter wäre es ihm gefallen, hätte er gewusst, in welchem Bezirk er sich befand, hätte er nur ungefähr den Rajon gewusst, er hätte nach Hause gefunden, zu seiner Wohnung, stellte sich vor, dort friedlich auf dem roten Diwan zu sitzen, und Čelobaka mit seiner Schnauze in Anatols Schoß ruhend, wie er es bei Maša getan hatte. Er wandte wieder den Kopf nach dem Hund, stolperte über den Asphaltwulst um einen Kanaldeckel, glaubte gar ein Krachen zu hören in der Kniescheibe, konnte das Fell des Hundes, dichten Schmutz, riechen, er streifte seinen Arm. Mag sein, dass Anatol die Frauen nicht anbetteln konnte, doch dem Hund hatten sie offenbar ein Hühnerbein überlassen, das er Anatol präsentierte. Anatol wankte, als er sich mit beiden Händen vom Boden stieß, als wäre sein Bein, das Knie sträubte sich gegen die Bewegung, geschrumpft, trat er ins Leere, fühlte das Fell des Hundes an seinem Arm. »Davaj, gehen wir«, sagte Anatol, und die beiden setzten sich in Bewegung. Čelobaka trug das Hühnerbein so stolz neben Anatol her, der sich bemühte, nicht zu hinken, dass Anatol Zweifel hatte, ob das Tier mit ihm teilen würde. So hilfreich die Wursthäppchen nachts auch gewesen sein mochten, für einen so
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