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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes
Autoren: Stanislaw Lem
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Wärme, um den seit Millionen Jahren gefrorenen Boden aufzutauen. Maschinen legten fertige Betonblöcke, aus denen Autostraßen, Gebäudefundamente, Dämme und Schutzwälle in den Gletschertälern entstanden. Maschinen, die sich auf stählernen Füßen fortbewegten, Bagger, Exkavatoren, Bohrtürme, Kräne, Traktoren, Förderbänder arbeiteten Tag und Nacht. Gleich hinter ihrer Front gingen andere Maschinen vor; sie errichteten Hochspannungsleitungen, Transformatorenstationen, Wohnhäuser, erbauten komplette Städte mit Flugplätzen, auf denen sofort die ersten großen Transportflugzeuge landeten. Die Aufmerksamkeit, die diese Arbeiten erregten, war ungeheuer. Die ganze Welt blickte nach dem hohen Norden, wo inmitten von Kälte und Schneestürmen, bei Temperaturen, die bis zu sechzig Grad unter Null sanken, ein Betonturm nach dem anderen und die Stahlantennen des Atomringes emporwuchsen, der in Zukunft die freischwebenden, glühenden, mit Platinglanz leuchtenden Wasserstoffkugeln lenken sollte.
    Einer der Bauplätze befand sich im Gebiet der Steinigen Tunguska. Inmitten von Mergel- und Lehmwällen, die man in tiefen Baugruben aus dem steinharten, ewig gefrorenen Boden ausgeschachtet hatte, wurden auf mächtigen Betonpfeilern Katapultstationen montiert. Raketenflugzeuge waren damals bereits an die Stelle der Eisenbahn getreten. Während dieser Arbeiten holte ein Bagger einen großen Erdblock aus der Sohle des etwa sieben Meter tiefen Schachtes. Der Block polterte auf das Förderband, gelangte in den Kollergang, wo die größeren Steine zu feinem Schotter zermahlen wurden, und klemmte sich dort fest. Die starke Maschine blieb sofort stehen. Als der Maschinist auf höhere Tourenzahl schaltete, knirschten die Zahnräder, die aus härtestem Zementstahl waren, und einige Zähne brachen aus. Man nahm die Maschine auseinander und bemerkte einen Felsbrocken, der sich zwischen zwei Walzen eingekeilt hatte. Er war so hart, daß man ihn mit den besten Feilen kaum zu ritzen vermochte. Zufälligerweise hörten einige Wissenschaftler, die das Flugzeug nach Leningrad erwarteten, von dem Fund. Sie sahen sich den rätselhaften Brocken an und nahmen ihn mit. Am nächsten Tag lag er bereits im Laboratorium des Leningrader Instituts für Meteorenforschung.
    Anfänglich glaubte man, einen Meteor vor sich zu haben. Dieser entpuppte sich jedoch als ein Basaltblock irdischen Ursprungs, in dem eine an beiden Enden zugespitzte Walze eingeschmolzen war. Sie erinnerte in Größe und Gestalt an eine Granate und setzte sich aus zwei unlösbar ineinanderverschraubten Teilen zusammen. Man, mußte den Mantel durchschneiden, um an das Innere heranzukommen. Erst nach langen Bemühungen – sogar das Institut für Angewandte Physik wurde zu Rate gezogen – gelang es den Wissenschaftlern, das Geheimnis dieser Metallhülse zu lüften. Es befand sich darin ein Spule aus porzellanähnlichem Schmelzgut, um die ein fast fünf Kilometer langer Draht aus einer stahlähnlichen Legierung gewickelt war. Nichts weiter.
    Schon vier Tage später befaßte sich ein internationales Komitee mit der Untersuchung dieser Spule. Sehr bald wurde festgestellt, daß der aufgewickelte Draht magnetisiert worden war. Die oberen Windungen hatten, offenbar unter dem Einfluß hoher Temperaturen, ihren Magnetismus bereits verloren. Die tieferen Schichten waren noch gut erhalten.
    Die Gelehrten ergingen sich in allerlei Mutmaßungen über den Ursprung der geheimnisvollen Spule. Niemand wagte als erster die Vermutung, die sich allen auf die Lippen drängte, auszusprechen. Erst eine chemische Analyse des Materials, aus dem der Draht bestand, brachte Klarheit: Eine derartige Legierung wurde nirgends auf der Erde hergestellt. Der geschoßähnliche Körper mußte also mit dem einstmals so berühmten tungusischen Meteor in irgendeinem Zusammenhang stehen. Niemand wußte, wer es zuerst ausgesprochen hatte, auf einmal kursierte das Wort „Rapport“. Tatsächlich, der Draht war so magnetisiert, als sei er in seiner ganzen Länge mit elektrischen Schwingungen beschrieben: ein einzigartiger „interplanetarer Brief“. Er erinnerte an die Bespielung eines Stahlbandes, wie sie bereits seit langer Zeit im Radio und beim Telefon gebräuchlich war. Sehr bald verbreitete sich die Annahme, die Insassen des unbekannten Weltraumschiffes hätten in dem kritischen Augenblick, da die Motoren den Gehorsam verweigerten, das zu retten versucht, was sie für das wertvollste hielten. Daher hätten sie dieses
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