Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
Richtungen hin mit der gleichen vernichtenden Kraft gewirkt. Man gewann den Eindruck, als wären breitere und schmalere Strömungen vom Mittelpunkt des Kessels ausgegangen und hätten die Bäume in langen Bahnen niedergemäht.
    Viele Jahre lang blieb das Problem des tungusischen Meteors ungeklärt. Von Zeit zu Zeit entwickelten sich darüber in der Presse wissenschaftliche Diskussionen. Die verschiedenartigsten Hypothesen wurden aufgestellt. Die einen meinten, es sei der Kern eines kleinen Kometen gewesen, andere wieder sahen in dem Meteor eine Wolke verdichteten kosmischen Staubes. Keine dieser Annahmen aber konnte dazu führen, alle Begleitumstände richtig zu deuten. Im Jahre 1950, als es bereits um die Geschichte des Meteors still geworden war, veröffentlichte ein junger Sowjetgelehrter eine neue Hypothese, die alle Erscheinungen und Vorgänge auf unerhört kühne Art erklärte.
    Zwei Tage vor dem Erscheinen des tungusischen Meteors hatte ein französischer Astronom einen kleinen Himmelskörper bemerkt, der mit großer Geschwindigkeit in seinem Teleskop auftauchte und dann verschwand. Kurze Zeit später veröffentlichte der Astronom seine Beobachtungen; aber weder er noch irgendein anderer brachte sie mit der sibirischen Naturkatastrophe in Zusammenhang. Wenn jener Himmelskörper tatsächlich ein Meteor gewesen wäre, so hätte er in einer ganz anderen Gegend auf die Erde fallen müssen. Nur unter einer Voraussetzung konnte er mit dem tungusischen Meteor identisch sein, nämlich dann, wenn dieser Meteor imstande gewesen war, Richtung und Geschwindigkeit wie ein Flugzeug beliebig zu ändern. Diese Annahme war jedoch viel zu unwahrscheinlich, als daß jemand auch nur einen Augenblick daran gedacht hätte. Und nun stellte der junge Gelehrte eben diese Behauptung auf. Nach seiner Hypothese war der tungusische Meteor nichts anderes gewesen als ein Weltraumschiff, das auf parabolischer Bahn aus dem Sternbild des Walfisches kam und, in der Absicht zu landen, immer engere Ellipsen um unseren Planeten beschrieb. Gerade zu diesem Zeitpunkt hatte es der französische Astronom in seinem Teleskop entdeckt.
    Das Weltraumschiff mußte für irdische Begriffe gewaltige Ausmaße gehabt haben: Seine Masse konnte auf Tausende Tonnen geschätzt werden. Die Lebewesen, die sich darin befanden und die Erdoberfläche aus großer Höhe beobachteten, wählten die weiten, waldlosen, aus der Ferne gut sichtbaren Ebenen der Mongolei zur Landung, die wie dazu geschaffen schienen, in ihren Sandwüsten das Weltraumschiff aufzunehmen.
    Das Geschoß gelangte nach langer Reise, während der es eine Geschwindigkeit von einigen Dutzend Kilometern in der Sekunde erreicht haben mußte, in Erdnähe. Vielleicht waren die Bremsvorrichtungen bereits beschädigt, oder aber die Insassen hatten die Ausdehnung unserer Atmosphäre unterschätzt. Jedenfalls wurde der Flugkörper durch die gewaltige Reibung und den Luftwiderstand bis zur Weißglut erhitzt.
    Infolge der außerordentlichen Geschwindigkeit gelang es dem Weltraumschiff nicht, in der Mongolei zu landen, sondern es überflog dieses Gebiet in einer Höhe von über fünfzig Kilometern. Wahrscheinlich hätte es vor der Landung noch einige Male die Erde umkreisen müssen, ein Motorendefekt aber oder irgendein anderer Grund hatte die Besatzung zur Eile gezwungen. Nun bemühten sie sich, die Geschwindigkeit zu verringern, und schalteten die Bremsvorrichtungen ein, die aber nur stoßweise, mit Unterbrechungen arbeiteten. Der ungleichmäßige Widerhall klang den Bewohnern Sibiriens wie Donnerrollen. Als sich das Raumschiff über der Taiga befand, entwurzelten die glühenden Gase, die den Bremsdüsen entströmten, die Bäume und warfen sie um. So entstand die Hunderte Kilometer lange Gasse von umgestürzten Stämmen, durch die sich später die sibirischen Expeditionen mühsam ihren Weg bahnen mußten.
    Uber dem Flußgebiet der Steinigen Tunguska verlor das Schiff an Geschwindigkeit, Das hügelige, mit Wald und Sumpf bedeckte Gelände eignete sich jedoch nicht zur Landung. Deshalb versuchten die Reisenden, es zu überfliegen und wieder größere Höhe zu gewinnen. Sie ließen erneut die Antriebsmotoren an. Aber es war bereits zu spät. Das Schiff, eine ungeheure Masse weißglühenden Metalls, wurde manövrierunfähig, sackte durch, taumelte und drehte sich, von den unregelmäßig arbeitenden Motoren hin und her geworfen, um seine Achse. Die Auspuffgase knickten den Wald bald in der Nähe, dann wieder in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher