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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes
Autoren: Stanislaw Lem
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größerer Entfernung, warfen die Bäume in breiten Bahnen nieder oder versengten ihre Kronen und Zweige. Das Raumschiff überflog den äußeren Ring der Hügel und erhob sich zum letztenmal. Dort, hoch über dem Talkessel, trat dann die Katastrophe ein. Aller Wahrscheinlichkeit nach explodierten die Treibstoffvorräte mit einer solchen Wucht, daß die glühenden Metallklumpen in kleinste Teile zerrissen wurden.
    Diese Hypothese brachte Licht in alle bisher rätselhaften Erscheinungen des Absturzes. Sie erklärte, auf welche Weise der Wald vernichtet worden war, warum er an manchen Stellen geknickt oder entwurzelt, an anderen nur versengt war, und schließlich deutete sie auch den eigenartigen Umstand, daß hier und da ganze Waldinseln heil und unberührt geblieben waren. Warum aber war dieses Weltraumschiff in so kleine Teile zerfallen, daß man auch nicht die geringsten Spuren davon auffinden konnte? Was für ein Treibstoff mochte das sein, der im Augenblick der Explosion heller als die Sonne aufstrahlte und die Taiga im Umkreise von vielen Kilometern versengte?
    Auch diese Frage beantwortete der Gelehrte. Nur ein ganz bestimmter Treibstoff, so behauptete er, könne bei seiner Explosion die starke Konstruktion eines Weltraumschiffes so restlos auflösen: Atomzerfall.
    Als die Motoren der Rakete aussetzten, kam es unter den Vorräten an Atombrennstoff zu einer Kettenreaktion. Eine zwanzig Kilometer hohe Feuersäule stieg auf, und das riesige Weltraumschiff verdampfte darin wie ein Wassertropfen auf einer glühenden Herdplatte.
    Die Hypothese des jungen Gelehrten rief keineswegs den Widerhall hervor, der zu erwarten gewesen wäre. Sie war zu kühn. Einige Gelehrten behaupteten, sie sei auf zuwenig wissenschaftliche Fakten gestützt, andere wieder, sie setze nur an Stelle des Meteorenrätsels das Rätsel eines Weltraumgeschosses. Manche bezeichneten die Hypothese sogar als ein Phantasiegebilde, das eher eines Romanschreibers als eines nüchternen Meteorenforschers würdig sei.
    Allen skeptischen Stimmen zum Trotz, unternahm der junge Gelehrte eine neue Expedition in die Taiga, um die radioaktive Strahlung an der Absturzstelle zu untersuchen. Er mußte allerdings damit rechnen, daß die unbeständigen Atomzerfallsprodukte im Laufe der vergangenen zweiundvierzig Jahre bereits verwittert waren. Auch dieser Forschungszug verlief ergebnislos. Die Lehm- und Mergelschichten an der Oberfläche des Talkessels zeigten einen so unbedeutenden Grad von Radioaktivität, daß sich daraus keinerlei Schlüsse ziehen ließen; denn verschwindend kleine Mengen radioaktiver Substanzen finden sich auch in gewöhnlichem Boden. Die Unterschiede lagen innerhalb der Grenzen des kaum noch Meßbaren.
    Bald verstummte auch das letzte Echo der Diskussionen in den wissenschaftlichen Blättern. Einige Zeit hindurch erörterte die Tagespresse noch das Problem, woher dieses Weltraumschiff gekommen sein könnte und was für Insassen es wohl gehabt hätte. Diese unfruchtbaren Spekulationen machten jedoch bald wichtigeren Dingen Platz: Berichten über den Bau der riesigen Wasserkraftwerke im Wolga-Don-Gebiet, über den Durchstich des Kanalbettes am Turgaitor mit Hilfe der Atomenergie und über die Umleitung der Gewässer des Ob und Jenissei in das Bassin des Toten Meeres.
    Im hohen Norden überwucherte die Tundra von Jahr zu Jahr dichter die umgebrochenen Baumstämme, die immer tiefer in dem moorigen Boden versanken. Die Ablagerungen des Torfes, Unterwaschungen der Eismassen, die Schneeschmelzen – alle diese unaufhörlichen Erosionsprozesse verwischten allmählich die letzten Spuren der Katastrophe. Es schien, als sollte das Rätsel für immer in Vergessenheit geraten.
Der Rapport
    Im Jahre 2003 wurde die Sahara schon zum großen Teil durch das Mittelmeer bewässert. Die Hydrokraftwerke von Gibraltar gaben zum erstenmal elektrische Energie an das nordafrikanische Stromnetz ab. Seit der Liquidierung des letzten kapitalistischen Staates waren bereits eine Reihe von Jahren vergangen. Die schwere, schmerzhafte und gewaltige Epoche der Umgestaltung der alten Welt in eine Welt der Gerechtigkeit hatte sich vollzogen. Nun bedrohten keine Not, kein wirtschaftliches Chaos, keine Kriege mehr die großen Pläne der Erdenbewohner.
    Durch keinerlei Grenzziehungen behindert, weiteten sich die kontinentalen Hochspannungsnetze. Atomkraftwerke entstanden, menschenleere, vollautomatische Fabriken. In den fotochemischen Transmutatoren wandelte die Sonnenenergie
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