Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Piratenfuerst

Der Piratenfuerst

Titel: Der Piratenfuerst
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
brüten. Davy würde ihn mit irgendwelchen scharfzüngigen Redensarten anzuzapfen versuchen. Giles Bellairs, der Hauptmann der Seesoldaten, würde inzwischen schon leicht angetrunken sein, denn er wußte, daß sein bulliger Sergeant mit der kleinen Abteilung ganz gut allein fertig wurde. Triphook würde vermutlich in Berechnungen über die Dienstkleidung der Neuen vertieft sein. Typisch für den Zahlmeister: Er konnte die bevorstehende Reise Meile für Meile in Salzfleisch, Speck, eisenhartem Schiffszwieback, Zitronensaft gegen Skorbut, Bier und Schnaps (zur Aufbesserung des Trinkwassers, das bald genug von allerlei Lebewesen wimmeln würde) und all den tausend Kleinigkeiten, für die er verantwortlich war, in aller Seelenruhe vorausplanen. Aber eine Garnitur Dienstkleidung für Männer, die noch eigene Fetzen auf dem Leib trugen, das war zu viel für seine Wertbegriffe. Doch er würde es schon noch lernen, wenn Bolitho das Schiff erst einmal zum Leben erweckt hatte. Rufe kamen von Land her, und Midshipman Penn piepste ängstlich: »Pardon, Sir, aber ich fürchte, der Schiffsarzt ist in Schwierigkeiten.«
    Herrick runzelte die Stirn, Der Schiffsarzt hieß Charles Whitmarsh: ein Mann von Kultur, aber mit Problemen. Nach Herricks Erfahrungen waren die meisten Schiffsärzte bloße Schlächter. Wer sonst würde zur See gehen und sich nach einer Seeschlacht mit blutigen, zerfetzten, schreienden, sterbenden Männern befassen wollen? In Friedenszeiten mochte das anders sein. Aber Whitmarsh war leider ein Säufer. Dort unten in dem dümpelnden Dingi bemühten sich der Bootsmannsmaat und zwei Matrosen, dem Arzt einen doppelten Palstek umzulegen, damit er besser an Bord kam. Er war ein großer, kräftiger Mann, fast so groß wie Soames, und sein Gesicht glühte in dem grauen Licht so rot wie die Uniform eines Seesoldaten.
    »Lassen Sie ein Frachtnetz abfieren, Mr. Penn«, befahl Herrick unwillig. »Nicht sehr gentlemanlike, aber das Gestrampel da unten ist auch nicht gerade vornehm.«
    Schließlich war Whitmarsh auf dem Geschützdeck gelandet, mit wirren Haaren und dem strahlenden Grinsen des Betrunkenen. Einer seiner Sanitätsgasten und zwei Seesoldaten schälten ihn aus dem Netz und schafften ihn unter Deck. Jetzt würde er in seinem kleinen Lazarett ein paar Stunden schlafen und dann wieder von vorn mit Tr inken anfangen.
    »Ist er krank, Sir?« fragte Penn ängstlich.
    Herrick sah den Knaben ernsthaft an. »Ein bißchen blau, mein Junge. Aber einen Arm oder ein Bein abschneiden, das könnte er wohl noch.« Er tippte Penn auf die Schulter. »Gehen Sie unter Deck. Ihre Ablösung muß gleich kommen.«
    Er blickte hinter dem Davoneilenden her und mußte wieder grinsen. Nur schwer konnte er sich vorstellen, daß er selbst einmal wie Penn gewesen war: unsicher, ängstlich und voll knabenhafter Illusionen, die eine nach der anderen durch das, was er sah und hörte, verloren gingen.
    Da rief ein Seesoldat: »Wachtboot legt im Bootshafen ab, Sir!«
    »Schön«, nickte Herrick. Das hieß: Order für die Undine. Seine Blicke schweiften über das Schiff, zwischen die hohen, in der Dünung dippenden Masten, über das straffe Gewirr der Takelage und die sauber gerefften Segel bis zum Bugspriet, unter dem die Gallionsfigur, eine vollbusige Seejungfrau, blicklos in die Ferne starrte. Es hieß auch, daß Bolitho zurückkommen würde. Und zwar heute.
    Mehr brauchte Thomas Herrick nicht zu wissen.

Anker auf!
    Richard Bolitho stand im Windschutz der Steinmauer des Bootshafens und spähte durch den eiskalten Regen. Es war Nachmittag, aber der Himmel hing so voll niedriger Wolken, daß man glauben konnte, es sei schon Abend.
    Er war müde und steif von der langen Fahrt in der Postkutsche, bei der er sich zu allem anderen noch über seine beiden Reisegefährten geärgert hatte: Kaufleute aus der Londoner City. Bei jedem Pferdewechsel oder auch sonst in einem der zahlreichen Wirtshäuser an der Chaussee nach Portsmouth hatten sie sich eine Erfrischung genehmigt und waren dabei immer lauter und vergnügter geworden. Sie wollten mit einem Postschiff nach Frankreich, um dort neue Geschäftsverbindungen anzuknüpfen und, wenn sie Glück hatten, ihre Handelsbeziehungen ein gutes Stück zu erweitern. Für Bolitho war das immer noch schwer zu verstehen. Noch vor einem Jahr war der Ärmelkanal die einzige Barriere zwischen seinem Land und dem Feind gewesen: der letzte Festungsgraben, wi e eine Zeitung es ausgedrückt hatte. Männer vom Schlage seiner
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher