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Der Piratenfuerst

Der Piratenfuerst

Titel: Der Piratenfuerst
Autoren: Alexander Kent
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brauchte – er wußte auch so, daß er von Glück sagen konnte, so ein Schiff zu bekommen.
    Ein schmaler Riß klaffte in den dahinfliegenden Wolken und ließ einen Strahl wässerigen Lichts über die Stückpforten der Undine und den sauberen Kupferbeschlag des Unterwasserschiffs spielen, der beim unruhigen Rollen hin und wieder sichtbar wurde. Ein solides Schiff, mit dem man alles machen konnte. Aber dabei fiel Bolitho ein, was ihm Stewart, der vorige Kapitän, anvertraut hatte. In einem wütenden Scharmützel vor Ushant war sie von den schweren Geschützen eines Vierundsiebzigers beschossen worden und hatte vier Treffer direkt unter der Wasserlinie abbekommen. Nur mit Glück hatte sie England noch erreicht. Fregatten waren schnelle Schiffe für überfallartige Aktionen und nicht dazu bestimmt, sich mit schweren Linienschiffen in Feuergefechte einzulassen. Bolitho wußte aus eigener bitterer Erfahrung, welchen Schaden ein Treffer an einem so grazilen Schiffskörper anrichten konnte. Stewart hatte noch gesagt, er sei trotz sorgfältiger Überprüfung nicht sicher, ob der Rumpf nach der Reparatur wieder völlig stabil sei. War nämlich der Kupferbelag erst wieder aufgenietet, so genügte eine Inspektion von der Innenseite nicht, um festzustellen, ob die Werft wirklich einwandfrei gearbeitet hatte. Kupfer schützte den Rumpf vor Algenbewuchs, der die Geschwindigkeit erheblich mindern konnte. Aber hinter dem Kupfer mochte der schlimmste Feind jedes Kapitäns lauern: die Fäule, die einen erstklassigen Schiffsrumpf in eine tödliche Falle für den Unvorsichtigen verwandeln konnte. Vor zwei Jahren war in Portsmouth das Flaggschiff des Admirals Kempenfeit, die Royal George, gekentert und gesunken, was mehrere hundert Menschen das Leben gekostet hatte. Es hieß, das Unterwasserschiff sei angefault gewesen und glatt herausgefallen. Wenn das einem stolzen Flaggschiff vor Anker passieren konnte, dann war bei einer Fregatte noch viel Schlimmeres zu befürchten.
    Bolitho fuhr aus seinen Gedanken hoch: über dem Sausen des Windes vernahm er die schrillen Pfiffe des Bootsmanns und die stampfenden Schritte der Seesoldaten, die zur Ehrenbezeigung antraten. Er starrte zu den turmhohen Masten empor und sah die Matrosen in den Wanten. Seit einem Monat waren sie daran gewöhnt, ihn an Bord zu sehen, mit Ausnahme der Neuen, die auch er noch nicht kannte. Die würden sich jetzt Gedanken über ihn machen – wie er wohl wäre, zu hart oder zu nachlässig. Für die Mannschaft bedeutete der Kapitän, sobald erst einmal der Anker gelichtet war, einfach alles, ob er nun gut oder böse, ein schlechter oder ein tüchtiger Seemann war. Nur sein Ohr hörte auf ihre Klagen, nur seine Stimme sprach Belohnung oder Strafe aus.
    »Riemen ein!« Allday erhob sich halb, die Ruderpinne in der Hand. »Auf Riemen!«
    Das Boot lief aus, und der Bootsmann erwischte mit seinem Haken das Wasserstag beim ersten Versuch. Wahrscheinlich, mutmaßte Bolitho, hatte Allday während seiner Abwesenheit fleißig mit der Bootsmannschaft geübt. Er stand auf, um den richtigen Moment zu erwischen – er wußte genau, Allday paßte auf wie eine Katze vorm Mauseloch, damit er nicht zwischen Boot und Bordwand rutschte, oder, schlimmer noch, rückwärts stolperte und mit Armen und Beinen strampelnd zwischen die Männer fiel. Dergleichen kam vor; Bolitho hatte es selbst gesehen und erinnerte sich an seine grausame Schadenfreude beim Anblick des neuen Kapitäns, der triefend wie ein Scheuerlappen an Bord kam. Aber der Gischt hatte kaum Zeit, seine Hosenbeine anzufeuchten, da war er auch schon oben an Bord, und in seine Ohren gellte das Schrillen der Pfeifen und das Knallen der präsentierten Musketen der Marineinfanteristen. Er lüftete den Hut zum Achterdeck hin und nickte den Offizieren grüßend zu. »Schön, wieder an Bord zu sein, Mr. Herrick.« Sein Ton war kurz und dienstlich.
    »Willkommen an Bord, Sir.« Auch Herrick sprach in offiziellem Ton. Aber in den Augen beider Männer stand ein Glanz, der etwas mehr verriet als bloße Bordroutine. Etwas, das keiner der anderen sah oder gar teilte.
    Bolitho zog seinen Mantel aus, reichte ihn Midshipman Penn und wandte sich um. Das schwindende Licht spielte über die weißen Aufschläge seines Galarocks. Nun wußten alle, daß er da war. Er sah die wenigen Matrosen, die oben in der Takelage noch etwas zu spleißen hatten, und andere, die sich auf den Decksgängen und zwischen den Doppelreihen der schweren Zwölfpfünder drängten.
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