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Der Piratenfuerst

Der Piratenfuerst

Titel: Der Piratenfuerst
Autoren: Alexander Kent
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ab, und in Sekundenschnelle war die Equipage im geschäftigen Strom der Kutschen und Lastwagen verschwunden. Der Soldat starrte ihr einen Augenblick nach, hob dann resigniert die Schultern und ging zu seinem Kameraden zurück. Die Arme untergehakt, schlurften sie langsam auf die nächste Straßenecke zu.
    Bolitho bemühte sich, das Fenster aufzumachen, aber der Riegel klemmte. Scham und Ärger über das eben Gesehene stiegen in ihm hoch.
    »Kann ich Ihnen behilflich sein, Sir?« fragte jemand hinter ihm: die Ordonnanz von vorhin.
    »Ich wollte zwei Invaliden ein bißchen Geld hinunterwerfen«, antwortete Bolitho.
    Der Mann schien erstaunt. »Mein Gott, Sir, daran gewöhnt man sich in London.«
    »Ich nicht.«
    »Ich wollte Ihnen melden, Sir, daß Sir John Sie jetzt empfangen möchte.«
    Bolitho folgte ihm auf den Flur. Er verspürte eine plötzliche Trockenheit in der Kehle. Deutlich erinnerte er sich an seinen letzten Besuch hier im Hause; fast auf den Tag einen Monat war das her. Damals hatte er eine ausdrückliche schriftliche Vorladung bekommen und brauchte nicht voller Nervosität und heimlicher Wut in einem Wartezimmer herumzusitzen. Es war wie ein Traum, ein unglaublicher Glückstreffer. Und so empfand er es immer noch, trotz der tausend Schwierigkeiten, mit denen die Tage seit seiner letzten Vorsprache belastet gewesen waren.
    Er hatte Order erhalten, unverzüglich das Kommando über Seiner Britannischen Majestät Schiff Undine (zweiunddreißig Geschütze) zu übernehmen, das zur Zeit im Dock von Portsmouth überholt und neu ausgerüstet wurde. In Kürze sollte es seeklar sein.
    Als er damals beschwingten Schrittes das Admiralitätsgebäude verließ, stand ihm fast das Schuldgefühl im Gesicht geschrieben, denn er hatte wohl gemerkt, daß ihn die Offiziere im Vorzimmer neidisch und sogar übelwollend musterten.
    Es hatte ihn eine ganze Menge Geld gekostet, die Überholungs- und Ausrüstungsarbeiten zu beschleunigen. Er hatte gedacht, daß er jetzt, da die Flotte auf ein Viertel ihrer Kriegsstärke geschrumpft war, Reservetauwerk und -spieren leichter bekommen würde als in Kriegszeiten; aber wie er zu seinem Erstaunen feststellen mußte, war das Gegenteil der Fall. Resigniert hatte ihm ein Schiffsbauer verraten, den Werftbeamten läge mehr daran, mit den Reedern großer Handelsschiffe zusammenzuarbeiten; an denen konnten sie mehr verdienen als an einem kleinen Fregattenkapitän, den sie auf Staatsrechnung beliefern mußten.
    Mit Bestechungen, Drohungen und unter ständigem Antreiben beinahe jedes einzelnen Werftarbeiters hatte er indessen mehr oder weniger erreicht, was er wollte. Anscheinend sah man im baldigen Auslaufen der Fregatte die einzige Möglichkeit, vor Bolitho wieder Ruhe zu haben und sich um eigene Geschäfte kümmern zu können.
    Mit gemischten Gefühlen hatte er sein neues Schiff im Dock umschritten. Aber die freudige Erregung überwog, und dazu kam die Gewißheit, daß dieses Schiff alle seine Kräfte fordern würde. Verschwunden war das neidvolle Unbehagen, das ihn in Falmouth jedesmal befiel, wenn wieder ein Kriegsschiff die Landspitze unterhalb der Festung rundete. Aber noch etwas anderes hatte er gemerkt. Sein letztes Schiff war die Phalarope gewesen, eine der Undine sehr ähnliche Fregatte, vielleicht ein paar Fuß länger. Sie war sein ein und alles gewesen; vielleicht, weil er auf ihr so viel durchgestanden hatte. In den westindischen Gewässern, in der Seeschlacht bei den Saintes, hatte er erlebt, wie sein geliebtes Schiff unter seinen Füßen zusammengeschossen wurde, bis es fast ein Wrack war. Niemals würde, niemals konnte es ein Schiff geben, das der Phalarope glich. Aber als er auf der Steinmauer des Docks auf und ab schritt, verspürte er ein neues, ein ähnliches Hochgefühl. Mitten in der Hektik der Überholungsarbeiten bekam er unerwartet Besuch von Konteradmiral Sir John Winslade, demselben, der ihn im Admiralitätsgebäude empfangen hatte. Er war ziemlich wortkarg gewesen, hatte das Schiff und Bolithos Vorbereitungen flüchtig inspiziert und dann beiläufig bemerkt: »Inzwischen kann ich Ihnen wenigstens so viel sagen: Sie segeln nach Indien. Mehr darf ich Ihnen im Moment nicht verraten.« Sein Blick glitt über die Takler, die in den Wanten und auf den Rahen werkten, und er fügte trocken hinzu: »Ich kann nur in Ihrem Interesse hoffen, daß Sie rechtzeitig fertig werden.«
    Winslades Andeutungen waren keineswegs leichtzunehmen. Offiziere auf Halbsold gab es, so viele man
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