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Der Piratenfuerst

Der Piratenfuerst

Titel: Der Piratenfuerst
Autoren: Alexander Kent
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Er kam sich ein bißchen pompös vor, und dieses Gefühl nötigte ihm ein amüsiertes Lächeln ab.
    »Ich gehe jetzt unter Deck.«
    »Die Segelorder liegt in Ihrer Kajüte, Sir.« Herrick barst vor Neugier; das merkte man ihm trotz seines dienstlich formellen Tonfalls deutlich an, denn seine blauen Augen, die manchmal so verletzt dreinblicken konnten, straften seine dienstliche Haltung Lügen.
    »Schön. Ich lasse Sie in Kürze rufen.«
    Bolitho wollte nach achtern gehen; da bemerkte er eine Gruppe trüber Gestalten in Zivil, die sich an der Achterdeckreling zusammendrängten. Leutnant Davy war eben dabei, sie nach einer Liste namentlich aufzurufen.
    »Neue Leute, Mr. Davy?« fragte er.
    »Wir sind immer noch dreißig Mann unter Sollstärke, Sir«, warf Herrick leise ein.
    »Aye, Sir.« Davy blickte mit zusammengekniffenen Augen von der Liste auf und durch den Sprühregen seinem Kapitän entgegen. Auf seinen hübschen Zügen lag ein zutrauliches Lächeln. »Ich bin gerade dabei, sie die Musterrolle unterzeichnen zu lassen.«
    Bolitho ging zur Leiter und kletterte rasch zum Geschützdeck hinunter. Mein Gott, was für Elendsgestalten! Halbverhungert, zerlumpt, verprügelt. Das harte Leben an Bord konnte kaum schlimmer sein als das Leben, das sie bisher geführt hatten und das sie zu dem gemacht hatte, was sie jetzt waren.
    Davy hatte die Musterrolle auf einen der Zwölfpfünder gelegt. Was der für elegante, gepflegte Hände hatte! »Kommt jetzt«, befahl er, »und macht eure Kreuze!«
    Halb selbstbewußt, halb schüchtern schoben sie sich heran – bis vor ihren neuen Kapitän.
    Bolithos Blick blieb an dem letzten in der Reihe haften: ein untersetzter, muskulöser Mann, unter dessen abgetragenem Hut ein geteerter Zopf hervorsah. Wenigstens ein erfahrener Seemann!
    Der Mann merkte, daß Bolitho ihn ansah, und drängte sich vor.
    »He, du da! Bleib gefälligst in der Reihe!« schimpfte Davy.
    »Dein Name?« fragte Bolitho.
    »Turpin, Sir«, erwiderte der Mann zögernd. Davy wurde wütend. »Steh gefälligst stramm und nimm den Hut vor dem Captain ab, sonst hol' der Teufel deine Augen! Zumindest solltest du wissen, wem du Respekt zu erweisen hast!«
    Der Mann nahm Haltung an; sein Gesicht drückte Scham und Verzweiflung aus. Bolitho hob den alten Mantel an, den Turpin über dem rechten Unterarm trug.
    »Wo hast du die rechte Hand verloren, Turpin?« fragte er freundlich.
    Der Mann schlug die Augen nieder. »Auf der Barfleur, Sir. Das war anno '81 bei der Schlacht in der Chesapeake Bay.« Er blickte auf, und ein stolzer Glanz trat in seine Augen, aber nur einen Moment.
    »Geschützführer war ich, Sir.«
    Davy mischte sich ein. »Tut mir außerordentlich leid, Sir, aber ich habe nicht gemerkt, daß der Kerl Invalide ist. Ich lasse ihn sofort an Land bringen.«
    Bolitho sagte: »Du wolltest die Musterrolle mit der Linken unterzeichnen. Liegt dir so viel daran?«
    Turpin nickte. »Ich bin Seemann, Sir.« Er wandte sich um, weil einer der Neuangeworbenen seinen Nebenmann grinsend in die Seite gestoßen hatte. »Keine verdammte Landratte!« Dann wandte er sich wieder Bolitho zu, und seine Stimme wurde leiser. »Ich kann jeden Dienst tun, Sir.«
    Bolitho hatte kaum hingehört. Die Seeschlacht in der Chesapeake Bay fiel ihm wieder ein... Der Pulverrauch, der Geschützdonner. Die Formationen der manövrierenden Schiffe, gepanzerten Rittern vergleichbar. Das wurde man nie mehr los. Und dieser Turpin war mittendrin gewesen, einer von Hunderten, die grölten, starben, fluchten, wie die Besessenen ihre Geschütze luden und abfeuerten. Er mußte an die beiden fetten Kaufleute in der Postkutsche denken. Damit solche Leute mehr Geld verdienten!
    »Schreiben Sie ihn ein, Mr. Davy«, sagte er barsch. »Ein Mann von der Barfleur wird uns mehr nutzen als viele andere.«
    Er schritt nach achtern zur Kampanje, wütend über sich selbst und über Davy, der keinen Instinkt hatte. Eine dumme, kurzsichtige Einstellung.
    Allday schleppte eben eine seiner Kisten nach achtern zur Kajütentür, wo unter der kreisenden Deckenlampe ein Marineinfanterist Wache stand.
    »Das war großartig, Captain, was Sie da eben gemacht haben«, sagte er munter.
    »Reden Sie nicht wie ein Narr, Allday!« Bolitho ging an ihm vorbei und fluchte leise, denn er hatte mit dem Kopf einen Decksbalken gestreift. Er blickte sich nach Allday um, doch dessen vertraute Züge waren völlig ausdruckslos.
    »Wahrscheinlich könnte er Ihre Arbeit tun!«
    Allday nickte ernsthaft.
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