Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Piratenfuerst

Der Piratenfuerst

Titel: Der Piratenfuerst
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
anschauten. Ein paarmal war ihm das letztere direkt unangenehm gewesen. Sie hatte ihn an die Zeit in New York während des Krieges erinnert, diese Dreistigkeit in den Gesichtern, die selbstbewußte Arroganz, die ihnen zur zweiten Natur geworden zu sein schien.
    Ein Eckensteher rief ihn an: »Da kommt Ihr Boot, Käpt'n! Ich helfe mit Ihrem Gepäck!« Er faßte an den Hut und rannte zum Gasthaus, um die Hausdiener zu benachrichtigen, wobei er sich vermutlich überlegte, wieviel Trinkgeld von einem Fregattenkapitän zu erwarten war.
    Bolitho drückte sich den Hut fest in die Stirn und trat in den Wind hinaus. Es war die Barkasse der Undine, ihr größtes Boot. Die Riemen hoben und senkten sich wie Möwenschwingen, als sie auf den Pier zusteuerte. Es mußte ein schweres Rudern sein, überlegte er; sonst wäre Allday mit der Gig, dem kleineren Boot, gekommen.
    Freudige Erwartung erfüllte ihn, und beinahe hätte er über das ganze Gesicht gelacht. Das dunkelgrün gestrichene Boot, die Rudergasten in ihren karierten Hemden und weißen Hosen – alles war wieder da. Es war wie eine Heimkehr.
    Die Riemen flogen hoch und standen senkrecht wie zwei Reihen weißer, schwingender Barten, während der Mann im Bug festmachte und einem eleganten Midshipman beim Aussteigen half. Der zog schwungvoll den Hut: »Zu Ihren Diensten, Sir.«
    Das war Midshipman Valentin Keen, ein junger Mann, dessen Kommandierung auf die Undine wohl, wie Bolitho mutmaßte, in erster Linie erfolgt war, um ihn von England wegzubringen, und nicht so sehr, um seine maritime Karriere zu beschleunigen. Er war dienstältester Midshipman an Bord; und wenn er die Reise überlebte, würde er wahrscheinlich als Leutnant zurückkehren – auf alle Fälle würde er ein Mann geworden sein.
    »Meine Kisten sind da drüben, Mr. Keen.«
    Reglos stand Allday in der Achterplicht; sein blauer Rock und seine weiße Hose flatterten im Wind, und nur mit Mühe gelang es ihm, ein dienstlich starres Gesicht zu behalten.
    Die Beziehung zwischen ihnen beiden war seltsam. Allday war als gepreßter Matrose an Bord der Phalarope gekommen. Als sie bei Kriegsende stillgelegt wurde, blieb Allday bei ihm in Falmouth: als Diener, Leibwächter und Freund, auf den er sich verlassen konnte. Jetzt, als Kapitänsbootsmann, würde er ständig um ihn und manchmal der einzige Kontakt zu jener anderen Welt jenseits des Kajütschotts sein. Allday war sein Leben lang Seemann gewesen; nur kurze Zeit lebte er als Schäfer in Cornwall, und ausgerechnet da hatte Bolithos Preßkommando ihn geschnappt: ein seltsamer Anfang. Bolitho mußte an Mark Stockdale, Alldays Vorgänger, denken: einen ehemaligen Faustkämpfer, der wegen seiner beschädigten Stimmbänder kaum richtig sprechen konnte. Er war in der Seeschlacht bei den Saintes gefallen, als er Bolitho den Rücken deckte. Armer Stockdale... Bolitho hatte nicht einmal gesehen, wie er starb.
    Allday kletterte an Land. »Alles klar, Captain. Ein feines Abendbrot wartet in der Kajüte.« Er schnauzte einen Matrosen an: »Schnapp dir die Kiste da, du Idiot, oder ich freß deine Leber!«
    Grinsend nickte der Matrose. Bolitho war beruhigt. Alldays bemerkenswerte persönliche Ausstrahlung schien sich bereits durchgesetzt zu haben. Er konnte fluchen und prügeln wie ein Wilder, wenn es nötig war. Aber Bolitho hatte gelegentlich zugesehen, wie er Verwundete versorgte, und kannte auch seine andere Seite. Kein Wunder, daß die Mädchen auf den Farmen rund um Falmouth ihn vermißten. Aber nach Bolithos Meinung war es besser für Allday, zur See zu fahren. In letzter Zeit war zu viel über seine Amouren geredet worden. Endlich war das Boot beladen, die Bedienten und der Eckensteher hatten ihr Geld bekommen. Zügig drückten die Riemen die lange Barkasse durch das kabbelige Wasser.
    Schweigend und in seinen Mantel gehüllt saß Bolitho da und ließ die ferne Fregatte nicht aus den Augen. Sie war schön, in mancher Hinsicht schöner als die Phalarope, wenn das überhaupt möglich war. Sie war erst vier Jahre alt und kam von einer Werft in Frindsbury am Medway-Fluß. Herrick war in dieser Gegend zu Hause. Ihre Länge über Deck betrug 130 Fuß; aus guter englischer Eiche gebaut, war sie ein Meisterstück. Kein Wunder, daß die Admiralität sie nicht wie so viele andere Schiffe ihrer Klasse bei Kriegsende einfach auflegen wollte. Sie hatte fast vierzehntausend Pfund gekostet, wie man Bolitho des öfteren versichert hatte. Nicht daß man es ihm noch extra klarzumachen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher