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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache
Autoren: C.J. Sansom
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schüttelte energisch den Kopf. »Die hohe Geburt gibt ihnen das Recht.«
    Ich überlegte und fragte dann: »Lauft Ihr etwa vor Euren Gefühlen für diesen Bernard davon?«
    Der innere Kampf stand ihr auf der Stirn geschrieben. »Ich brauche Zeit, Master Shardlake. Ich brauche eine Beschäftigung. Würdet Ihr mich gehen lassen?«
    »Es ist Euer Leben. Ich habe mich schon viel zu viel in die Geschicke anderer eingemischt. Ich bin bereit, Euch zu helfen, jederzeit. Aber Ihr müsst auf mich zukommen.«
    Sie stand auf. »Gut, dann besorge ich mir eine Überfahrt nach Flandern. Ich werde Euch schreiben. Und Euch wissen lassen, wie es mir geht.«
    »Ihr seid fest entschlossen?«
    »Ja.« Emma stand auf und reichte mir die langgliedrige Hand.
    Ich sagte: »Emma, eines wollte ich Euch noch fragen. Tragt Ihr noch immer das Herzkreuz?«
    Sie blickte mich mit einer Wärme an, wie ich sie nicht an ihr kannte, und schüttelte den Kopf. »Nein«, antwortete sie leise. »Ich habe es in die Themse geworfen. Es war ein Teil meines alten Lebens. Ich trage jetzt das Kreuz, das meine Mutter mir schenkte und das Ihr mir aus Hoyland mitgebracht habt.«
    Ich lächelte. »Gut.«
    »Ich wünschte, ich hätte jener liebenswürdigen alten Dame danken können für das, was sie und der arme Michael für mich getan haben, aber ich brachte es nicht über mich –« Die Stimme versagte ihr.
    »Was, die Täuschung an ihr zu erproben? Nein. Aber ich ließ ihr mitteilen, dass Hugh in Sicherheit ist.«
    Sie sagte: »Habt Dank für alles, Master Shardlake. Jetzt muss ich meinen eigenen Weg gehen, wohin er mich auch führen mag.«
    Ich ergriff ihre Hand. Die rauen Schwielen von der jahrelangen Übung im Bogenschießen verschwanden allmählich. Ich sah Emma Curteys den Pfad zurückgehen, dem Äußeren nach ein junger Gentleman mit forschem Schritt, vornehmem Mantel und kurzen braunen Haaren unter der schwarzen Kappe. Die welken gelben Blätter wirbelten ihr um die Füße.

geschichtliche anmerkung
    D er Krieg von 1544–1546 gegen Frankreich war wahrscheinlich die katastrophalste Entscheidung, die Heinrich  VIII . jemals traf. Er wird zuweilen als »reformfreudiger« Monarch beschrieben, doch seine Haltung zum Krieg war mittelalterlich geprägt. Schon zu Beginn seiner Herrschaft sehnte er sich nach dem Ruhm, den aufgrund ihrer Eroberungen in Frankreich seine Vorgänger geerntet hatten. Frankreich war mittlerweile jedoch ein geeintes, blühendes Reich mit einer weitaus höheren Bevölkerungszahl als England.
    Heinrich, der aus zwei vorausgehenden Eroberungsversuchen nichts gelernt hatte, schloss mit Karl V., dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, ein wackeliges Bündnis und fiel im Jahre 1544 in Nordfrankreich ein. Heinrich und Karl hatten es sich zum Ziel gesetzt, mit ihren Streitkräften gemeinsam in Paris einzumarschieren, doch Heinrich führte seine Armee vom Weg ab, um die Stadt Boulogne anzugreifen, an Calais anzugliedern, das letzte englische Besitztum in Frankreich, und so das englische Gebiet zu vergrößern. Als Boulogne nach einer langen, blutigen Belagerungszeit endlich eingenommen war, wurden die englischen Streitkräfte in der Stadt nun ihrerseits von der französischen Armee unter Belagerung genommen. Karl V. schloss unterdessen Frieden mit Franz I. von Frankreich, und so blieben die englischen Truppen achtzehn Monate lang in Boulogne eingeschlossen, wo sie mit Mühe von England aus versorgt wurden. Heinrich stand nun allein gegen Frankreich, das zudem Truppen an seinen Verbündeten Schottland entsandte, welches sich bereits im Krieg mit England befand.
    Der Krieg war außerordentlich teuer, ruinös geradezu – um ihn zu finanzieren, verkaufte Heinrich einen Großteil des Klosterlandes, das er der Kirche in den 1530er Jahren abgenommen hatte, blutete England mit Steuern aus und entwertete gar das Münzgeld, indem er dessen Silbergehalt reduzierte, wodurch er eine beispiellose Inflationsspirale in Gang setzte. Alle gesellschaftlichen Schichten waren betroffen, doch am meisten zu leiden hatten die Armen, weil sie nicht die Macht besaßen, den Preis für ihre Arbeitskraft zu erhöhen.
    Im Sommer 1545 beschlossen die Franzosen, sich mit dem Plan, in England einzufallen, ein für alle Mal des Problems zu entledigen. Die Bedrohung war real und sehr ernst; die französische Kriegsflotte umfasste etwa dreimal so viele Schiffe wie die englische und führte 30 000 Mann mit sich. Auch der Papst steuerte ein Schiff bei. Das Unternehmen war
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