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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache
Autoren: C.J. Sansom
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umfangreicher als vierzig Jahre später die Spanische Armada. Um der Bedrohung zu begegnen, ließ Heinrich in der Zivilbevölkerung ein gewaltiges Kontingent an Soldaten ausheben. Einschließlich der Milizen und Seeleute wurden über 100 000 Männer zu den Waffen gerufen – im Verhältnis zur Bevölkerung entspräche dies heutzutage weit über einer Million Männern und ließe sich etwa mit dem männlichen Bevölkerungsanteil vergleichen, der mobilisiert wurde, um Hitlers angedrohte Invasion im Jahre 1940 zu verhindern.
    Heinrich konnte von Glück sagen, dass die Franzosen in Admiral d’Annebault einen schlechten Anführer hatten – wie bei den Engländern waren auch die Kommandanten der Franzosen Aristokraten, keine Berufssoldaten. Hätte d’Annebault seine Schiffe konzentriert, hätten die Franzosen möglicherweise die Kontrolle über die Isle of Wight errungen. Und wäre es ihnen gelungen, in Portsea Island einzufallen, hätten sie Portsmouth belagern können wie die Engländer Boulogne. Umfangreiche amphibische Operationen sind bekanntermaßen schwierig, jedoch wäre es zumindest im südlichen England zu schweren Gefechten gekommen.
    Am Ende jedoch, nach der unentschiedenen Schlacht im Solent, die im Buch beschrieben ist, versandete der Krieg, und die meisten Rekruten kehrten zur Ernte nach Hause zurück – bis auf wenige, die nach Boulogne geschickt wurden, das auch weiterhin unter Belagerung stand. Dank des Friedensabkommens von 1546 blieb die Stadt Boulogne – mittlerweile nur noch ein Trümmerhaufen – zehn Jahre lang englisches Territorium. Heinrich erhielt zudem eine Abfindung, nicht mehr als ein Tropfen im Ozean der gewaltigen Summen, die er ausgegeben hatte.
    Der Krieg hatte absolut nichts eingebracht, abgesehen davon waren Tausende Soldaten und Matrosen ums Leben gekommen: Engländer, Schotten, Iren, Waliser, Franzosen, und Angehörige anderer europäischer Nationen. Dazu kamen noch die vielen französischen und schottischen Zivilisten.
    Sechs Monate nach dem Friedensvertrag starb Heinrich  VIII . Sein Vermächtnis war die Isolation Englands in Europa, der anhaltende Krieg mit Schottland, religiöse Spannungen, die Inflation, die landesweite Not und aufflammende gesellschaftliche Unruhen. In den 1550er Jahren fiel Boulogne an Frankreich zurück, und 1558 verlor England mit Calais auch das letzte Territorium auf dem Kontinent.
    * * *
    Für den Untergang der
Mary Rose
am 19. Juli 1545, während des Gefechtseinsatzes, gibt es viele unterschiedliche Erklärungen. Es scheint erwiesen, dass die Geschützpforten auf der Steuerbordseite nicht geschlossen waren, als ein jäher Windstoß, nicht unüblich im Solent, in die Segel fuhr und bewirkte, dass das Schiff während eines Wendemanövers Schlagseite bekam, wodurch Wasser durch die Öffnungen eintreten konnte. Das Schiff scheint auch gehörig überladen gewesen zu sein – zu viele Kanonen und Soldaten – und kopflastig wegen der vielen Männer auf den hohen Deckaufbauten. Möglich ist auch, dass die
Mary Rose
von einer französischen Kanonenkugel gestreift und leckgeschlagen wurde. Was auch immer die Ursache beziehungsweise Verkettung von Ursachen gewesen sein mochte, fest steht, dass die
Mary Rose
binnen weniger Minuten sank, wobei die überwältigende Mehrheit der Menschen an Bord unter den Netzen gefangen war, die ein Entern von außen erschweren sollten. Ihre Schreie waren bis zum Ufer zu hören. Etwa fünfunddreißig Menschen von geschätzten fünfhundert überlebten das Unglück.
    Heinrich hatte am Tag zuvor auf seinem Flaggschiff, der
Great Harry
, zu Abend gespeist und das Schiff überstürzt verlassen, als am östlichen Ende der Isle of Wight die französische Flotte gesichtet worden war. Seine Absicht, anschließend die
Mary Rose
zu besuchen, habe ich erfunden. Es ist nicht überliefert, wo Heinrich während seines Aufenthaltes in Portsmouth 1545 gewohnt hat, aber die wahrscheinlichsten Kandidaten sind Portchester Castle und das königliche Zeltlager, welches auf dem Gemeindeland Southsea Common errichtet worden war. Ebenso wenig weiß man, wo Catherine Parr den Sommer 1545 verbrachte, doch eines der Dokumente legt nahe, dass sie den König nach Portsmouth begleitet haben könnte. In seiner Depesche über die Schlacht im Solent erwähnt Frans van der Dilft, Botschafter Karls V., der Kanzler der Königin habe ihm die Schiffe gezeigt. In Anbetracht der Struktur des königlichen Haushalts gibt es nur einen Grund, warum sich besagter
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