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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm
Autoren: Bernhard Wucherer
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würde, wollte er es verstecken. Er preschte auf direktem Wege zum Moosmannbauern, in dessen Stall er sein Pferd sicher wähnte. Er hatte sich schon lange Gedanken darüber gemacht, wo er das stolze Ross unterstellen würde, falls er es wieder zurückbekommen sollte. Bei Babtist Vögel, dem derben Schmied, dessen Stallungen mitten im Dorf lagen, war es zu gefährlich; dort könnte der auffällige Schimmel entdeckt werden. Im Moosmann’schen Stall hingegen dürfte es vor neugierigen Augen sicher sein. Der Hof lag außerhalb des Dorfes, auf halbem Weg zur quer verlaufenden Salzstraße, von wo aus er – sollte dies nötig sein – Staufen jederzeit ungesehen verlassen konnte. Dorthin kamen nur selten Einheimische, und wenn doch, dann zogen sie nur vorbei oder wurden – falls sie zu neugierig waren – vom als gewalttätig bekannten Landwirt verjagt. Der Totengräber würde den Bauern gut dafür entlohnen, dass er das Pferd fütterte und pflegte … und so lange vor allzu interessierten Gaffern versteckt hielt, bis er es brauchen würde.

Kapitel 2
     
    »Weshalb hast du mich zu dir bestellt? Und warum musste ich alles stehen und liegen lassen, um sofort kommen zu können? Waren wir nicht auf morgen verabredet, um darüber zu sprechen, wie es mit dem Spital weitergehen soll?«, fragte der Kastellan den Propst in mürrischem Ton. Er war aufgrund seiner vielen Arbeit im Wald nicht gerade begeistert über den kurzfristig anberaumten Gesprächstermin. Dass der Kirchenmann wissend lächelte, aber nicht gleich zur Sache kam, weil er es spannend machen wollte, trug nicht gerade zur Verbesserung seiner Laune bei. Er schaute den kirchlichen Würdenträger so lange scharf an, bis dieser eine wichtigtuerische Miene aufsetzte und endlich den Mund aufmachte. »Obwohl es von äußerster Dringlichkeit ist, geht es heute weder um das Spital noch um einen neuen Medicus.«
    »Um was dann?«, knurrte Ulrich Dreyling von Wagrain.
    Der Propst rieb sich nachdenklich das Kinn. »Erinnerst du dich noch daran, als du mit Eginhard die Räume des Arztes nach den todbringenden Kräutern und dem ergaunerten Geld durchsucht hast?«
    »Natürlich! Aber was soll diese Frage?«
    »Erinnerst du dich auch noch an die Durchsuchung des Schrankes in seiner Schlafkammer?«
    Der Kastellan wurde jetzt unruhig. »Was meinst du? Was willst du von mir?«
    »Erinnerst du dich daran oder nicht?«, wiederholte der Propst seine Frage.
    »Verdammt noch mal: Natürlich!«
    »Und?«
    »Was, ›Und‹?«
    »Was habt ihr darin gefunden?«
    Ulrich wusste zwar nicht, was der Propst mit seiner lästigen Fragerei bezweckte, war dennoch um eine Antwort bemüht. »Außer der Pestgewandung des Arztes haben wir im Schrank nichts Nennenswertes entdeckt!«
    Der Propst schien die Situation zu genießen, von etwas Kenntnis zu haben, von dem sein ansonsten ›allwissender‹ Freund keine Ahnung zu haben schien. »Sicher: Im Schrank selbst war nichts!« Er sah seinen Freund verschmitzt an.
    Der Kastellan überlegte wieder kurz: »Meinst du die alten Schriftstücke, die wir im Geheimfach des Möbels gefunden haben?«
    Sein priesterlicher Freund lachte laut. »Was bist du doch für ein kluger Bursche. Genau die meine ich!« Jetzt berichtete er, dass er mithilfe eines Mitbruders aus dem Kloster St. Gallen, der dort seinen Dienst als Scriptoriumsleiter verrichtete, sämtliche Schriftstücke hatte übersetzen können. Er erzählte, dass darunter einige Erburkunden aus dem Jahre 1519 waren, die das Siegel des Grafen Hugo XVI. von Montfort trugen. »Außerdem befinden sich unter den Schriftstücken äußerst wertvolle Original-Urkunden aus den Jahren 817 und 868, die auf die Entstehung unseres Ortsteiles Kalzhofen hinweisen. Im älteren Schriftstück wird meines Wissens sogar erstmals der Begriff ›pago Albigaugense‹, was auf nichts anderes als ›Gau der Alpen – Alpgau‹, also ›Allgöw‹, hindeutet, verwendet. Diese Vorformen des heutigen Begriffes ›Allgäu‹ stehen für eine Landschaft der Bergweiden.«
    »Ja, und?«, knurrte der Kastellan in der Hoffnung auf eine rasche Aufklärung dessen, was der Priester bisher von sich gegeben hatte.
    »Gemach, gemach«, bremste Johannes Glatt den Einwurf seines Freundes, weil er dachte, dass er dessen Neugierde geweckt hatte, und fuhr fort. »Das jüngere Schriftstück sagt uns, dass ein Mann namens Chadolt zum Heil seiner Seele dem Kloster des heiligen St. Gallus die Rechte seines Nachlasses übertragen hat.« Dabei strich er andächtig
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