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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm
Autoren: Bernhard Wucherer
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lutherischen Fanatiker oder Truppen der Katholischen Liga waren, die marodierend über sie herfielen – der Gräuel, den beide Seiten anrichteten, war unbeschreiblich. Im Februar vergangenen Jahres hatten die Schweden von Leutkirch, Isny und Wangen aus Raubzüge in die Umgebung unternommen und dabei Ellhofen und Lindenberg niedergebrannt. Dabei waren sie Staufen bedenklich nah gekommen. Am Fasnachtsdienstag dieses Jahres war Scheidegg – ebenfalls ein Dorf nahe Staufen – dran gewesen. Am 19. März waren in Schwangau 400 Kroaten vom Kaiserlichen Regiment ›Isolani‹ eingefallen und hatten unter anderem 500 Pfund Brot für ihre Truppenverpflegung erzwungen – wie sie dies bewerkstelligt hatten, konnten nur diejenigen wissen, die den marodierenden Söldnern entkommen waren. Kurz darauf hatten die Schweden Kaufbeuren besetzt, und ihr Generalfeldmarschall Horn war nach Kempten vorgerückt, wo er bei Nacht die kaiserlichen Besatzer überrumpelt hatte. Während Memmingen beschossen worden war, hatten sich von Lindau aus 1800 kaiserliche Soldaten und bewaffnete Vorarlberger Bauern in Marsch gesetzt, um die verhassten Schweden aus Wangen zu vertreiben. So waren die Scharmützel immer näher gekommen und rund um das rothenfelsische Gebiet, zu dem Staufen gehörte, ausgetragen worden. Dennoch war der Krieg mit den Bewohnern des kleinen Dorfes zu Füßen des Staufenberges bisher eher gnädig umgegangen. Nur aus der Ferne waren die beängstigenden Kanonenschüsse zu hören. Wenn an einem Tag nichts davon, sondern nur das Zwitschern der aus dem Süden zurückgekehrten Vögel, zu hören war, hatten die Staufner das Gefühl, als wenn der Krieg seine Kraft verlieren und nicht alles stimmen würde, was ihnen durch fahrende Händler und Reisende zugetragen worden war. Aber das täuschte. Auch wenn man eigentlich hätte glauben sollen, dass die gegnerischen Truppen genug miteinander zu tun gehabt hatten, war dies eine Fehleinschätzung, denn um das hilflose Volk zu schinden, war für die längst verrohten Soldaten noch immer genug Zeit übrig gewesen.
     
    Aber noch hatte sich der Gräuel den Weg bis nach Staufen hinein nur ein einziges Mal Bahn gebrochen, und so versuchte die Bevölkerung, aus ihrem mehr als bescheidenen Leben das Beste zu machen. Die warme Jahreszeit war angebrochen und ließ nach der letztjährigen Mordserie und dem darauf folgenden harten Winter das Dasein wenigstens etwas erträglicher werden. Außerdem fand wieder der Wochenmarkt, eine lebensnotwendige Veranstaltung, statt. Es war erst der dritte Markttag, der seit dem unaufgeklärten Tod eines gräflichen Wachsoldaten auf dem Staufner Marktplatz abgehalten werden durfte. Hugo Graf zu Königsegg-Rothenfels, Regent der Herrschaft Staufen, hatte das im vergangenen Herbst durch seinen Oberamtmann Conrad Speen ausgesprochene Marktverbot gnädigerweise aufgehoben und der Bevölkerung somit wieder die Gelegenheit gegeben, Handel zu treiben und dringend benötigte Lebensmittel einzukaufen – falls sie diese überhaupt bezahlen konnten. Bei seinen diesbezüglichen Überlegungen hatte er sich davon leiten lassen, den arbeitsfähigen Teil seiner Staufner Untertanen endlich wieder zu Kräften kommen zu lassen, um – wie es sich aus seiner Sicht für ordentliche Untertanen gehörte – den Zehnten entrichten zu können. Er war es leid, dass immer gerade dann, wenn es seinen Untertanen einigermaßen gut ging und sie korrekt Steuern zahlen konnten, aus was für Gründen auch immer Unbill über sein Herrschaftsgebiet zog oder gar schlechte Zeiten hereinbrachen. Aber was waren schon schlechte Zeiten? Die verarmte Bevölkerung des Rothenfelsischen Gebietes kannte nichts anderes – mit dem Unterschied, dass alles noch viel schlimmer kommen würde.
     
    *
     
    Obwohl es sich noch nicht überall herumgesprochen hatte, dass auf dem Staufner Marktplatz im Unterflecken endlich wieder etwas los war, hatte an diesem Mittwoch erstmalig eine beachtliche Händlerschar den Weg nach Staufen gefunden.
    Aber nicht nur deswegen war es ein ganz besonderer Tag für die einheimische Bevölkerung. Der Staufner Schlossverwalter, den hier alle nur ›Ulrich‹ nannten oder als › Kastellan ‹ bezeichneten, wollte den Familien das Geld zurückzahlen, das der Medicus ihren Verwandten vor nicht allzu langer Zeit für seine ›Dienste‹ abgenommen hatte, bevor er sie vergiftete, und das Eginhard zusammen mit seinem Vater wiedergefunden hatte. Um dies möglichst reibungslos ablaufen zu lassen,
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