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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm
Autoren: Bernhard Wucherer
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meinem Orden treu bleiben möchte, muss ich hier eine neue Arbeit finden, die der Mutter Oberin … «, bevor sie den Satz zu Ende sprach, senkte sie demütig das Haupt, »und Gott gefällt.«
    Die Schwester überlegte, ob sie der Frau des Kastellans erzählen sollte, dass sie ein Pferd mit sich führte, das Wegelagerer einem ihrer Patienten auf dem Hahnschenkel abgenommen hatten, als dieser auf dem Rückweg von Hopfen war, einem kleinen Weiler etwas abseits der Salzstraße, die, von Hall in Tirol kommend, an den Bodensee führte. Das Tier war dann wohl, einem inneren Instinkt folgend, geflüchtet und dem vermeintlichen Besitzer bis zum Siechenhaus gefolgt. Dass es sich dabei um den Schimmel des Totengräbers und bei ihrem Patienten um den zwischenzeitlich erhängten Staufner Medicus gehandelt hatte, wusste sie ebenso wenig wie die Tatsache, dass der Medicus damals in Hopfen war, um bei Til, dem kauzigen Kräutermann, der dort eine fast unüberschaubare Kräuterplantage bewirtschaftete, die giftigen Blätter, Knollen und Stängel zu erwerben, mit deren Hilfe er fast halb Staufen ausgelöscht hatte. Aber die Schwester ließ dies und erzählte der Frau des Kastellans von ihrer Arbeit. Während sie sprach, überlegte Konstanze, wie sie ihr helfen könnte. Da sie von ihrem Mann wusste, dass der Propst dringend einen Spitalleiter bräuchte, aber offensichtlich keinen bekommen hatte, fragte sie die Schwester unumwunden, ob sie es sich vorstellen könne, dem Orden gegenüber ungehorsam zu werden und hier in Staufen die Leitung des Spitals zu übernehmen.
    Die Augen der barmherzigen Schwester begannen zu leuchten. »Aber … ?«
    Konstanze hielt ihr mit dem Zeigefinger so sanft den Mund zu, als wenn sie schon viele Jahre bestens vertraut miteinander wären. »Sagt jetzt nichts! Ich habe nur meine Gedanken laut werden lassen und kann Euch noch nichts versprechen. Ich muss erst mit meinem Mann darüber reden, der wiederum mit Propst Glatt, unserem Euch bestens bekannten Pfarrherrn, über die Sache sprechen muss. Außerdem solltet Ihr erst klären, was Eure Mutter Oberin mit dem Siechenhaus zu tun gedenkt, nachdem sie Euch von dort abgezogen hat. Ich gehe davon aus, dass die Anstalt nicht geschlossen und dort weiterhin karitativ gearbeitet wird.«
    Schwester Bonifatia zog die Mundwinkel nach unten, die Augenbrauen nach oben und zuckte mit den Schultern, was wohl so viel heißen sollte, dass sie keine Antwort darauf habe.
    Konstanze erzählte der Schwester in groben Zügen, warum es in Staufen zurzeit keinen Medicus gab. So musste sie unweigerlich über die unrühmliche Geschichte des verbrecherischen Arztes Heinrich Schwartz, der am Galgen sein Ende gefunden hatte, berichten.
    Da sich die Schwester bisher intensiv um die Kranken, Verletzten und Lahmen in Genhofen hatte kümmern müssen und das Siechenhaus nicht hatte verlassen können, hatte sie von den Ereignissen in Staufen nicht alles haarklein mitbekommen. Ihr war lediglich zugetragen worden, dass in Staufen ›jemand‹ hingerichtet worden sei. Um wen es sich dabei gehandelt hatte und weshalb er zum Tode verurteilt worden war, hatte sie zwar nicht in Erfahrung bringen können, aber dennoch für ihn gebetet.
    Als sie Konstanze so sprechen hörte, wurde ihr klar, dass es sich nur um denjenigen Mann handeln konnte, den sie vor geraumer Zeit gesund gepflegt hatte, nachdem dieser von einem barmherzigen Fuhrmann schwerverletzt vor die Tür des Siechenhauses gelegt worden war. Um ganz sicher zu sein, bat sie die Frau des Kastellans, ihr doch den Unglückseligen näher zu beschreiben. Nach deren genauer Beschreibung wusste sie zweifelsfrei, dass es sich bei dem Gehenkten um einen ihrer ehemaligen Patienten handelte, der – obwohl er zu seinem eigenen Schutz kein Wort gesprochen hatte – ihr das Gefühl gegeben hatte, ein Apotheker oder ein Medicus, mindestens aber ein heilkundiger Bader zu sein. Dass er der Medicus von Staufen war, hatte er ihr wohlweislich verschwiegen.
    Aus einem unguten Gefühl heraus riss sich die Schwester zusammen und bekreuzigte sich auch nicht, als ihr klar wurde, wer ihr Patient gewesen war, sondern versprach dem Herrgott im Stillen ein zusätzliches Gebet für den Hingerichteten. Sie beschloss, weiter für sich zu behalten, dass sie den Medicus persönlich gekannt und sein Pferd dabeihatte, um es ihm zurückzubringen. Sie war jetzt etwas verunsichert und wusste nicht, wie sie sich verhalten und was sie mit dem edlen Ross anfangen sollte. Da am Pferd
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