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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm
Autoren: Bernhard Wucherer
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überall Blut geklebt hatte, das Tier selbst aber unverletzt gewesen war, als sie es auf der Wiese bei der Siechenkapelle gefunden hatte, und da am Sattelzeug einige Kräutersäckchen gehangen hatten, war ihr bewusst geworden, dass es sich nur um das Pferd dieses Patienten handeln konnte. Was sollte sie jetzt also tun, da der Besitzer des schönen Schimmels tot war? Sollte sie ihn einfach behalten? Ein Blick zum Himmel gab ihr schnell die Antwort. Sie würde – weswegen sie das Pferd mitgebracht hatte – mit Propst Glatt darüber sprechen und ihn fragen, was damit geschehen sollte.
    Nachdem Schwester Bonifatia ihre Einkäufe getätigt hatte, schleppte sie einen Leinenballen, einen Korb mit Gemüse und ein kleines Fässchen Schnaps, aus dem sie einen Arnikasud zur Behandlung von Wunden ansetzen wollte, in Richtung des Pferdes, das, ebenso wie das mitgebrachte Saumtier, geduldig auf sie gewartet hatte. Da sie die Verantwortung für dieses schöne Geschöpf Gottes übernommen hatte und sich zudem denken konnte, dass es sich um ein besonders wertvolles Pferd handelte, hatte sie es zusammen mit ihrem Lasttier hinter einem Stadel versteckt und angebunden, bevor sie auf den Markt gegangen war.
    Jetzt belud sie es, zurrte alles gut fest und führte beide Tiere in Richtung Propstei, in der Hoffnung, dass Johannes Glatt, der eigensinnige Pfarrherr von St. Petrus und Paulus, ihr weiterhelfen würde.
    Sie war noch nicht weit gekommen, als hinter ihr jemand aufgeregt schrie und sie zum Halten aufforderte. Nachdem sie sich umgedreht hatte, sah sie eine Gestalt in schwarzer Gewandung, die, offensichtlich erregt, auf sie zueilte.
    »Wartet! Wartet, ehrwürdige Schwester«, rief der Totengräber, während er schnaufend näher kam.
    »Was ist los?«, fragte sie erstaunt. »Gott zum Gruße erst einmal!«
    »Ja, ja … « Da Ruland Berging Gott nicht gerne bemühte, räusperte er sich angesichts der Nonne fast etwas verlegen. »Seid gegrüßt«, beeilte er sich zu sagen, um sofort zum Thema zu kommen, »das ist mein Andalusier! Mein Pferd! … Endlich habe ich dich wieder.« Er konnte sein Glück kaum fassen.
    Während er das unruhig schnaubende Tier aufgeregt tätschelte und das Sattelzeug auf Unversehrtheit untersuchte, fragte die Schwester irritiert, wer er denn sei und wie er darauf komme, dass es sich bei diesem Schimmel um sein Pferd handelte.
    »Das kann ich Euch sagen … und zudem unschwer beweisen«, triumphierte der Totengräber, der es selbst kaum glauben konnte, dass er ›sein‹ Pferd, von ihm vor langer Zeit in Immenstadt einem venezianischen Kaufmann gestohlen, wiedergefunden hatte. Er zeigte auf die Mähne des edlen Tieres und sagte in wissendem Tonfall: »Darunter verbirgt sich etwas, das nur der Besitzer dieses schönen Tieres wissen kann! Glaubt Ihr mir, dass es meines ist, wenn sich hinter dieser dicken Mähne das zeigt, was ich Euch zuvor sagen werde?«
    Die Schwester zuckte perplex mit den Schultern und nickte. »Ja! Aber nun macht schon und klärt mich auf.«
    Bevor der Totengräber die Pferdemähne zur Seite strich, sagte er: »Es befindet sich ein dunkler Fleck darunter, der fast die Form eines auf den Kopf gestellten Kreuzes hat. Glaubt Ihr mir dann?«
    Die Schwester nickte auffordernd und deutete ihm mit einer Handbewegung, den Beweis anzutreten.
    Als klar war, dass der Totengräber dieses Pferd zumindest gut kannte, ließ sie sich noch haarklein erzählen, warum es dann dem Medicus abhandengekommen war, als dieser auf dem Hahnschenkel überfallen worden war. Da der Totengräber, ohne zu überlegen, das genaue Datum wusste, an dem er dem Medicus sein Pferd geliehen hatte, und gestenreich erklärte, dass er dem Bitten und Betteln des verzweifelten Arztes zu Gefallen des Schöpfers nachgegeben und ihm sein Pferd nur geborgt hatte, weil der Medicus dringend benötigte Heilkräuter besorgen wollte, glaubte ihm die Schwester – immerhin deckte sich seine Aussage mit dem Datum, an dem der Medicus vor ihrer Tür gelegen und was sie mit ihm selbst erlebt hatte. Warum auch sollte sie an seinen Worten zweifeln, da er doch auch noch kundtat, dass er in seiner Eigenschaft als Leichenbestatter in Diensten des Propstes, quasi also in Diensten der Mutter Kirche, stand?
    So übergab sie ihm vertrauensvoll die Zügel. Sie streichelte das Pferd noch einmal, bevor sie sich mit ihrem Packesel in Richtung Siechenhaus zurück aufmachte.
    Der Totengräber sprengte an ihr vorbei. Bevor man ihn wieder mit diesem edlen Ross sehen
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