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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm
Autoren: Bernhard Wucherer
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Bonifatia im Umgang mit den verschiedensten Heilweisen vertraut«, stellte der Propst, der die Franziskanerin kannte und wusste, dass sie eine außerordentlich geschickte Krankenschwester war, wieder sachlich geworden, fest.
    »Na ja, ein wenig. Allerdings habe ich nicht die scholastische Medizin studiert und verstehe von der Heilkunde bei Weitem nicht so viel wie die ehrwürdige Schwester«, kam es kaum hörbar zurück.
    »Aber Ihr versteht etwas davon. Und das ist gut … Also könntet Ihr unser Spital sogar leiten«, entgegnete der Propst, dem dies genügte und der es durch sein Ablenkungsmanöver geschickt zu verhindern wusste, dass der Jungpriester etwas mitbekam, das ihn nichts anging, und den dieses Wissen zudem noch in Gefahr bringen könnte.
    Da das ursprüngliche Thema nicht mehr aufgegriffen werden konnte und es jetzt sowieso schon zu spät war, um noch vor dem Mittagsmahl in den Wald zu gehen, nutzte der Kastellan die Gelegenheit, das eigentlich für morgen anberaumte Gespräch vorzuziehen. Also berichtete er, was ihm seine Frau über ihre Unterhaltung mit Schwester Bonifatia erzählt hatte.
    »Um Gottes willen! Ein Weib als Spitalleiterin«, entfuhr es dem Propst in einer Lautstärke, die sämtliche Heilige heraufbeschworen hätte, wenn er nicht sofort innegehalten hätte. Der kluge Kirchenmann hatte erkannt, dass er sich im Ton vergriffen hatte, und relativierte seinen Aufschrei durch eine merklich sanftere Stimmlage: »Du meinst ernsthaft, dass diese Schwester – gehört sie nicht dem Frauenorden der Franziskaner an – unser Spital anstelle meines Kanonikers, also anstelle eines Mannes, leiten könnte?«, fragte er den Kastellan.
    »Tu doch nicht so, als wenn du nicht wüsstest, dass sie dem Heiligen Franziskus die Treue geschworen hat. Außerdem weißt du ganz genau, dass sie nicht nur eine hervorragende Krankenschwester ist, sondern zudem bei ihrer Arbeit schon viel Mut bewiesen hat. Warum also sollte sie nicht dazu in der Lage sein, unser verwaistes Spital zu leiten? Du suchst doch schon längere Zeit verzweifelt eine Nachfolge für den Medicus. Und von St. Gallen aus hat man dir zwar die vorher erwähnten Urkunden zurückgeschickt … , ihre grandiosen Ärzte brauchen sie aber wohl selbst«, fügte der Kastellan schnell noch hinzu, um vom Thema Urkunden, das ihm versehentlich herausgerutscht war, gleich wieder abzulenken und um seinen Freund zu frotzeln.
    Bevor der Propst sich empören konnte, fuhr Ulrich fort: »Im Ernst, Johannes, hast du irgendwelche Kunde darüber, wann sie den von dir schon vor langer Zeit angeforderten Medicus endlich schicken oder ob sie überhaupt gewillt sind, einen ihrer wahrscheinlich in St. Gallischem Gebiet selbst benötigten Ärzte zu entbehren und nach Staufen zu entsenden? Immerhin dürften die Zeiten in der Schweiz momentan auch nicht gerade rosig sein, oder?«
    »Na ja, es stimmt schon. Hätten sie gleich nach meinem ersten Bittschreiben einen Arzt zu uns nach Staufen geschickt, wäre unserem Medicus – Gott sei ihm gnädig – überhaupt nicht die Möglichkeit gegeben gewesen, so viele Menschen zu … « Der Propst schluckte und blickte den Kastellan mit zornigen Augen an. »Ich darf gar nicht darüber nachsinnen.« Eine unbändige Wut stieg in ihm auf, wenn er nur daran dachte, dass durch den rechtzeitigen Einsatz eines ehrbaren Arztes das sinnlose Sterben im vergangenen Jahr hätte verhindert werden können.
    Der Kastellan spürte dies und legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter. »Johannes! Du kannst nichts für Heinrich Schwartz’ scheußliche Kräutermorde … und wir können sie nicht mehr rückgängig machen. Jetzt müssen wir danach trachten, eine vernünftige Gesundheitsversorgung für unsere Staufner aufzubauen, damit wir in Zukunft gewappnet sind. Wer weiß, was noch alles auf uns zukommt … Immerhin befinden wir uns immer noch inmitten des großen Glaubenskrieges!«
    Während der Kanoniker vor sich hin nickte, als wenn er die Antwort darauf wüsste, hingen die beiden so lange diesen Gedanken nach, bis der Kastellan wieder das Wort ergriff: »Jedenfalls brauchen wir in Staufen schnellstens jemanden, der sich in der Heilkunde versteht und bereit ist, hier zu wirken. Und dies ist nun einmal nur diese verflixte Krankenschwester! Wenn du einer Frau, die mit ihrem Wissen um die Heilkunde einem studierten Medicus kaum nachsteht, allein schon nicht traust, gib ihr doch diesen offensichtlich talentierten jungen Mann an die Seite!«
    Schlagartig
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