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Der Pate von Florenz

Der Pate von Florenz

Titel: Der Pate von Florenz
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Frevler. Bleiben durfte nur, was die Sippe als verflucht und schändlich kennzeichnete – nisi per ignominiam. Dies war schon in der Antike nach römischem Recht die Strafe für jeden gewesen, der sich eines Verbrechens gegen den Kaiser schuldig gemacht hatte.
    Aber das war offenbar noch nicht Strafe und Auslöschung genug. Denn zudem wurde verfügt, dass sich jeder Überlebende aus dem Geschlecht der Pazzi innerhalb von sechs Monaten einen neuen Namen und ein neues Wappen zuzulegen hatte, was auch für weit entfernte Cousins galt. Wer dem nicht Folge leistete, wurde zum Rebellen gegen die Republik Florenz und damit für vogelfrei erklärt, sodass ihn jeder töten durfte, ohne Strafe befürchten zu müssen.
    Des Weiteren wurden die Familien der Verschwörer auf Jahre hinaus öffentlich gedemütigt, indem die Signoria auf eine Wand des Regierungspalastes lebensgroße und lebensecht wirkende Bildnisse der Hauptverschwörer anbringen ließ. Es war ein gewisser Maler namens Alessandro di Mariano Filipepi, der als Günstling von Lorenzo de’ Medici den Auftrag zu diesen Schandbildern erhielt und der für seine Arbeit mit vierzig Florin entlohnt wurde. Er gelangte unter seinem Spitznamen Sandro Botticelli, 1 den er seiner beachtlichen Körperfülle verdankte, als Maler und Zeichner zu großem Ruhm und gilt als einer der bedeutendsten Künstler der frühen Renaissance.
    Einige Gesetze, die gegen die Sippe der Pazzi erlassen wurden, fielen jedoch so maßlos drakonisch aus und verstießen teilweise auch gegen das kanonische Recht, dass sie in späteren Jahren aus diplomatischen Gründen zurückgenommen wurden, beziehungsweise zurückgenommen werden mussten. Dazu gehörte auch eine Regelung, die einem Heiratsverbot für alle Zeiten gleichkam. Denn diesem Regierungserlass nach hatte jeder Florentiner, der ein Mädchen aus der Pazzi-Familie heiratete, sowie all seine männlichen Nachkommen auf immer das Recht verloren, in Florenz ein öffentliches Amt zu bekleiden. Damit konnten diese Mädchen in der florentinischen Oberschicht nicht mehr verheiratet werden. Und weil die Pazzi auch wirtschaftlich ruiniert waren und die Väter für ihre Töchter nicht einmal eine halbwegs annehmbare Mitgift aufbringen konnten, blieb nicht einmal die Möglichkeit, sie außerhalb von Florenz ehrenvoll zu verheiraten. So blieb für Jahre als einzig annehmbare Alternative für Pazzi-Töchter ein Leben hinter Klostermauern.
    Nachdem Lorenzo die Verschwörung und den Mordanschlag überlebt hatte, erfreute er sich als heldenhaftes Opfer bei den Florentinern nun noch größerer Beliebtheit und saß innenpolitisch so fest im Sattel wie nie zuvor. Außenpolitisch und damit auch militärisch stand er jedoch mit dem Rücken zur Wand. Der seit Jahren schwelende Konflikt mit dem Papst schlug nun endgültig in offene Feindschaft und Gewalt um. Zwar hatte der junge Kardinal Raffaele Sansoni Riario im Juni wieder seine Freiheit erhalten und Florenz verlassen dürfen. Aber Sixtus beließ es nicht dabei, Lorenzo in seiner Wut über den Fehlschlag des Pazzi-Komplotts und die Festsetzung des Kardinals per Bulle zu exkommunizieren und ihn als »Anti-Christ« zu verleumden, sondern er verhängte auch noch das Interdikt über Florenz und schickte ein Heer unter dem Kommando von Federico da Montelfeltro gegen die Republik am Arno, als sich die Signoria selbstredend weigerte, ihren ungekrönten Fürsten Lorenzo de’ Medici zu verbannen und dem Papst auszuliefern. Auch König Ferrante, der neapolitanische Verbündete des Papstes, erklärte Florenz nun offen den Krieg und ließ seine Truppen, die er dem Herzog Alfons von Kalabrien unterstellte, in die Toskana einmarschieren.
    Die kriegerischen Auseinandersetzungen zogen sich recht planlos bis weit ins Jahr 1479, ohne dass bei den ersten Gefechten eine Seite nennenswerte Vorteile für sich hätte verbuchen können. Doch dann musste das florentinische Heer in einer Schlacht gegen die neapolitanischen Truppen im Südosten der Toskana im November eine empfindliche Niederlage einstecken. Nur der einsetzende starke Herbstregen rettete Florenz vor der Katastrophe einer Belagerung und machte einen vorübergehenden Waffenstillstand möglich. Wie damals üblich, sollte der Krieg im Frühjahr fortgesetzt werden.
    Die Situation für Florenz war prekär. Zudem gab es wachsende Probleme mit den eigenen Verbündeten Mailand, Venedig, Ferrara und Mantua, die sich nicht nur untereinander zerstritten, sondern auch nicht gewillt waren, in
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