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Der Pate von Florenz

Der Pate von Florenz

Titel: Der Pate von Florenz
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Lorenzo nicht an, diese Genugtuung blieb Sixtus verwehrt, doch er schickte zwei Verwandte mit und damit war der Sache Genüge getan. Sixtus wahrte durch dieses Schauspiel öffentlicher Abbitte und gehorsamer Unterwerfung unter die päpstliche Autorität sein Gesicht – und Lorenzo brachte es die Befreiung seiner Heimatstadt vom geschäftsschädigenden Interdikt und dank päpstlicher Absolution die Rückkehr in den Schoß der Mutter Kirche, ohne jedoch dafür im wahrsten Sinne des Wortes vor dem Papst in persona einknicken zu müssen.
    Lorenzo war nun mehr denn je der unbestrittene Signore, der Herr von Florenz, der die Zügel der Macht fest in Händen hielt und gelegentlich auch vor schnellen Hinrichtungen nicht zurückschreckte, zugleich aber auch der generöse Pate der halben Stadt, großer Förderer der Künste, begabter Dichter und leidenschaftlicher Anhänger des Humanismus. Diese zwei so gegensätzlichen Gesichter seines Wesens, die in seiner tollkühnen Reise nach Neapel beispielhaft zum Ausdruck kommen, machen einen Großteil der Faszination aus Bewunderung und Abscheu aus, die Il Magnifico sowohl zeitlebens auf seine Zeitgenossen als auch auf alle nachkommenden Generationen ausgeübt hat, historisch interessierte Laien ebenso wie berufsmäßige Historiker.
    Zur Sicherung seiner absoluten Macht reduzierte Lorenzo den Kreis der principali, der führenden Männer seines Regimes, auf siebzig Personen. Zu diesem Zweck schaffte er 1480 den machtvollen Rat der Siebzig. Sie ersetzten auch die accoppiatori, die bei den sogenannten Wahlen die Kontrolle darüber ausübten, welche Namen in die Wahlbeutel gelangten.
    Diese Florentiner Machtelite der Siebzig und eine kleine Gruppe von Klienten der Medici, die den Aufstieg dank ihrer Verbindungen zu ihnen geschafft hatten, regierten fortan die Republik unter dem dünnen Anstrich von angeblicher Verfassungsmäßigkeit.
    Wobei jedoch anzumerken ist, dass die Bezeichnung »Republik« im 15. Jahrhundert eine völlig andere Bedeutung hatte als in der heutigen Zeit. Selbst in der besten Zeit der Florentiner Republik, in der ausnahmsweise einmal keine Wahlen mit grober Dreistigkeit manipuliert wurden, besaßen durchschnittlich nur weniger als zehn Prozent der Bevölkerung das volle Bürgerrecht. Und selbst von diesen etwa zwei- bis dreitausend Bürgern waren letztlich nur einige Hundert den Statuten nach amtsfähig. Die republikanische Verfassung von Florenz und anderen Stadtstaaten hatte in jenen Jahrhunderten wenig zu tun mit dem, was man heute, im 21. Jahrhundert, unter einer solchen, geschweige denn unter Demokratie versteht.
    Dass die Macht der Medici und ihrer Parteigänger aber zu allen Zeiten auch vom wirtschaftlichen Erfolg der Florentiner Kaufmannschaft und von außenpolitischer Stabilität abhing, das sollte sich nach Lorenzos Tod im Jahr 1492 sehr deutlich zeigen – und davon wird im dritten Band der Medici-Chroniken zu erzählen sein, wenn der feurige Prediger Savonarola die Bühne von Florenz betritt.
    Für diejenigen, die sich für das Schicksal von Giulianos unehelichem Sohn interessieren: Giulio wurde mit einiger Wahrscheinlichkeit vier Wochen später geboren als in meinem Roman beschrieben, unter Lorenzos Obhut im Palazzo der Medici aufgezogen – wie es damals auch in den besten Kreisen gang und gäbe war –, trat schon in jungen Jahren in den Johanniterorden ein und machte eine steile kirchliche Karriere, nachdem sein Vetter Papst Leo X. ihm Dispens wegen seiner unehelichen Geburt erteilt und kraft seines Amtes entschieden hatte, dass Giulio angeblich das legitime Kind einer »heimlichen Ehe« sei. Damit war der Weg frei bis hinauf auf den Stuhl Petri. Am 18. November 1523 wurde Giulio de’ Medici zum Papst gewählt und nahm den Namen Clemens VII. an.
    Wer seine Mutter und damit die heimliche Geliebte seines Vaters gewesen ist, darüber gibt es noch nicht einmal plausible Hinweise, geschweige denn gesicherte Informationen, dafür aber umso mehr wilde, abenteuerliche Spekulationen. Eine davon findet sich in diesem Roman.
     
    Atlanta, im Dezember 2009
    Rainer M. Schröder

QUELLENVERZEICHNIS
    Harold Acton: »The Pazzi Conspiracy: The Plot against the Medici«, Thames and Hudson, New York 1979
    Pierre Antonetti: »Savonarola – Die Biographie«, Patmos Verlag Hans Belting: »Florenz und Bagdad – Eine westöstliche Geschichte des Blicks«, C. H. Beck Verlag, München 2008
    Barbara Beuys: »Florenz, Stadtwelt – Weltstadt, Urbanes Leben von 1200 bis
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