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Der Papalagi

Der Papalagi

Titel: Der Papalagi
Autoren: Erich Scheuermann
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deinem Bruder begegnest und jeder von euch hielt schon den Kopf in die vielen Papiere, so wird einer dem anderen nichts Neues oder Besonderes mehr mitzuteilen haben, da jeder das Gleiche in seinem Kopfe trägt, ihr schweigt euch also an oder wiederholt einander nur, was die Papiere sagten. Es bleibt aber immer ein Stärkeres, ein Fest oder ein Leid mitzufeiern oder mitzutrauern, als dies nur erzählt zu bekommen von fremdem Munde und es nicht mit seinen Augen gesehen zu haben.
    Aber dies ist es nicht was die Zeitung für unseren Geist so schlecht macht, daß sie uns erzählt, was geschieht, sondern, daß sie uns auch sagt, was wir darüber denken sollen über dies Dies und das Das, über unsere hohen Häuptlinge oder die Häuptlinge anderer Länder, über alle Geschehnisse und alles Tun der Menschen. Die Zeitung möchte alle Menschen zu einem Kopfe machen, sie bekämpft meinen Kopf und mein Denken. Sie verlangt für jeden Menschen ihren Kopf und ihr Denken. Und dies gelingt ihr auch. Wenn du am Morgen die vielen Papiere liest, weißt du am Mittag, was jeder Papalagi in seinem Kopfe trägt und denkt.
    Die Zeitung ist auch eine Art Maschine, sie macht täglich viele neue Gedanken, viel mehr als ein einzelner Kopf machen kann. Aber die meisten Gedanken sind schwache Gedanken ohne Stolz und Kraft, sie füllen wohl unseren Kopf mit viel Nahrung, aber machen ihn nicht stark. Wir könnten geradesogut unseren Kopf mit Sand füllen. Der Papalagi überfüllt seinen Kopf mit solcher nutzlosen Papiernahrung. Ehe er die eine von sich stoßen kann, nimmt er die neue schon wieder auf. Sein Kopf ist wie die Mangrovesümpfe, die im eigenen Schlick ersticken, in denen nichts Grünes und Fruchtbares mehr wächst, wo nur üble Dämpfe aufsteigen und stechende Insekten sich tummeln.
    Der Ort des falschen Lebens und die vielen Papiere haben den Papalagi zu dem gemacht, was er ist: zu einem schwachen, irrenden Menschen, der das liebt, was nicht wirklich ist und der das, was wirklich ist, nicht mehr erkennen kann, der das Abbild des Mondes für den Mond selber hält und eine beschriebene Matte für das Leben selber.
    Die schwere Krankheit des Denkens
W enn das Wort ›Geist‹ in den Mund des Papalagi kommt, so werden seine Augen groß, rund und starr; er hebt seine Brust, atmet schwer und reckt sich auf wie ein Krieger, der
    den Feind geschlagen hat. Denn dies ›Geist‹ ist etwas, worauf er besonders stolz ist. Es ist jetzt nicht die Rede vom großen, gewaltigen Geiste, welchen der Missionar ›Gott‹ nennt, von dem wir alle nur ein kümmerliches Abbild sind, sondern vom kleinen Geiste, der dem Menschen zugehört und seine Gedanken macht.
    Wenn ich von hier aus den Mangobaum hinter der Missionskirche sehe, so ist das nicht Geist, weil ich ihn nur sehe. Aber wenn ich erkenne, daß er größer ist als die Missionskirche, so ist das Geist. Ich muß also nicht nur etwas sehen, sondern auch etwas wissen. Dieses Wissen übt der Papalagi nun von Sonnenaufgang bis zum Untergang. Sein Geist ist immer wie ein gefülltes Feuerrohr oder wie eine ausgeworfene Angelrute. Er bemitleidet darum uns Völker der vielen Inseln, weil wir kein Wissen üben. Wir seien arm im Geiste und dumm wie das Tier der Wildnis.
    Das ist wohl wahr, daß wir wenig das Wissen üben, was der Papalagi ›denken‹ nennt. Aber es fragt sich, ob der dumm ist, welcher nicht viel oder der, welcher zuviel denkt. – Der Papalagi denkt dauernd. Meine Hütte ist kleiner als die Palme. Die Palme beugt sich im Sturme. Der Sturm spricht mit großer Stimme. Derart denkt er; in seiner Weise natürlich. Er denkt aber auch über sich selbst. Ich bin klein gewachsen. Mein Herz ist immer fröhlich beim Anblick eines Mädchens. Ich liebe es sehr, auf malaga 1 zu gehen. Und so fort.
    Das ist nun fröhlich und gut und mag auch manchen versteckten Nutzen haben für den, der dieses Spiel in seinem Kopfe liebt. Doch der Papalagi denkt so viel, daß ihm das Denken zur Gewohnheit, Notwendigkeit, ja zu einem Zwange wurde. Er muß immerzu denken. Er bringt es nur schwer fertig, nicht zu denken und mit allen Gliedern zugleich zu leben. Er lebt oft nur mit dem Kopfe, während alle seine Sinne tief im Schlafe liegen. Obwohl er dabei aufrecht geht, spricht, ißt und lacht. Das Denken, die Gedanken – dies sind die Früchte des Denkens – halten ihn gefangen. Es ist eine Art Rausch an seinen eigenen Gedanken. Wenn die Sonne schön scheint, denkt er sofort: wie schön scheint sie jetzt! Er denkt immerzu:
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