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Der Papalagi

Der Papalagi

Titel: Der Papalagi
Autoren: Erich Scheuermann
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schöpfen nicht etwa Tag um Tag an gleicher Quelle – dies möchte ihnen noch eine hohe Freude sein, – nein, die nur ihre Hand heben oder senken oder gegen einen Stab stoßen und dies in einem schmutzigen Raume, ohne Licht und ohne Sonne, die nichts tun, bei dem eine Kraftmühe ist oder irgend eine Freude, deren Heben oder Senken oder Gegen-einen-Stein-Stoßen dennoch vonnöten ist nach dem Denken des Papalagi, weil damit vielleicht eine Maschine angetrieben oder geregelt wird, die da Kalkringe schneidet oder Brustschilder, Hosenmuscheln oder sonst was. Es gibt in Europa wohl mehr Menschen als Palmen auf unseren Inseln sind, deren Gesicht aschgrau ist, weil sie keine Freude an ihrer Arbeit kennen, weil ihr Beruf ihnen alle Lust verzehrt, weil aus ihrer Arbeit keine Frucht, nicht einmal ein Blatt wird, sich daran zu freuen.
Und darum lebt ein glühender Haß in den Menschen der Berufe. Sie alle haben in ihrem Herzen ein Etwas wie ein Tier, das eine Fessel festhält, das sich aufbäumt und das doch nicht los kann. Und alle messen ihre Berufe aneinander voll Neid und Mißgunst, man spricht von höheren und niederen Berufen, obgleich doch alle Berufe nur ein Halbtun sind. Denn der Mensch ist nicht nur Hand oder nur Fuß oder nur Kopf; er ist alles vereint. Hand, Fuß und Kopf wollen gemeinsam sein. Wenn alle Glieder und Sinne zusammentun, nur dann kann sich ein Menschenherz gesund freuen, nie aber wenn nur ein Teil des Menschen Leben hat und alle anderen tot sein sollen. Dies bringt den Menschen in Wirrnis, Verzweiflung oder Krankheit.
    Der Papalagi lebt in Wirrnis durch seinen Beruf. Er will dies zwar nie wissen, und sicherlich, so er mich dies alles reden hörte, möchte er mich als den Narren erklären, der da Richter sein will und der doch nie zu urteilen vermag, weil er selber nie einen Beruf gehabt und auch nie wie ein Europäer gearbeitet hat.
    Aber der Papalagi hat uns nie die Wahrheit und die Einsicht gebracht, warum wir arbeiten sollen, mehr als Gott es von uns verlangt, um satt zu werden, ein Dach über dem Haupte zu haben und eine Freude am Feste auf dem Dorfplatze. Wenig mag diese Arbeit erscheinen und arm unser Dasein an Berufen. Aber was ein rechter Mann und Bruder der vielen Inseln ist der macht seine Arbeit mit Freude, nie mit Pein. Lieber macht er sie gar nicht. Und dies ist es, was uns von den Weißen scheidet. Der Papalagi seufzt, wenn er von seiner Arbeit spricht, als erdrücke ihn seine Bürde; singend ziehen die Jünglinge Samoas ins Tarofeld, singend reinigen die Jungfrauen die Lendentücher am strömenden Bache. Der große Geist will sicher nicht, daß wir grau werden sollen in Berufen und schleichen wie die Kröten und kleinen Kriechtiere in der Lagune. Er will, daß wir stolz und aufrecht bleiben in allem Tun und immer ein Mensch mit fröhlichen Augen und fließenden Gliedern.
    Vom Orte des falschen Lebens und von den vielen Papieren
V iel hätte euch, liebe Brüder des großen Meeres, euer demütiger Diener zu sagen, um euch die Wahrheit über Europa zu geben. Dazu müßte meine Rede sein wie ein Sturzbach, der vom
    Morgen bis zum Abend fließt, und dennoch würde eure Wahrheit unvollkommen sein, denn das Leben des Papalagi ist wie das Meer, dessen Anfang und Ende man auch nie genau abschauen kann. Es hat ebensoviele Wellen wie das große Wasser; es stürmt und brandet, es lächelt und träumt. Wie dieses nie ein Mensch mit hohler Hand ausschöpfen kann, so kann ich auch nicht das große Meer Europas zu euch tragen mit meinem kleinen Geiste.
    Aber davon will ich nicht säumen, euch zu berichten, denn wie das Meer nicht ohne Wasser sein kann, so das Leben Europas nicht ohne den Ort des falschen Lebens und nicht ohne die vielen Papiere. Nimmst du dies beides dem Papalagi, so gliche er wohl dem Fische, den die Brandung aufs Land geworfen hat: er kann nur mit den Gliedern zucken, aber nicht mehr schwimmen und sich tummeln, wie er es liebt.
    Der Ort des falschen Lebens. Es ist nicht leicht, euch diesen Ort, den der Weiße Kino nennt, zu schildern, so, daß ihr ihn mit euren Augen klar erkennet. In jeder Dorfschaft überall in Europa gibt es diesen geheimnisvollen Ort, den die Menschen lieben, mehr wie ein Missionshaus. Von dem schon die Kinderträumen und mit dem ihre Gedanken sich liebend gerne beschäftigen.
    Das Kino ist eine Hütte, größer wie die größte Häuptlingshütte von Upolu, ja viel größer noch. Sie ist dunkel auch am hellsten Tage, so dunkel, daß niemand den anderen erkennen
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