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Was Farben sagen

Was Farben sagen

Titel: Was Farben sagen
Autoren: Isabelle Wolf
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Farbe, das unbekannte Wesen
    Die magische Strahlkraft von tiefem Lapislazuliblau, schwankendes Mauve auf seinem beständigen Balanceakt zwischen Rosa und Violett oder die kompromisslose Direktheit von klarem Rot, das sich ungefragt in den Vordergrund drängt: Farben faszinieren. Ihre Vielschichtigkeit. Ihr unendlicher Facettenreichtum.
    Jeden Tag sind wir umgeben von Millionen von Farben. Man muss nur an einen klaren Frühlingsmorgen denken und seine Wirkung auf unsere Stimmung, wenn wir Farben am Himmel sehen, die geeistem Zuckerguss gleichen. Oder an das perlmuttschimmernde Blau eines sonnenbeschienenen Meeres, die unzähligen Schattierungen von Grün in einem einzigen Waldstück, zart errötende Wicken oder den goldenen Glanz von reifen Weizenfeldern. Oft werden wir uns der Bedeutung von Farben allerdings erst an grauen Regentagen bewusst, wenn sie aus allem ausgewaschen wurden und nur noch ein trister Akkord anklingt, zusammengesetzt aus dem Steingrau des Asphalts, dem Bleigrau des Himmels und dem dunklen Schiefer eines Mantels. Gerade vor dieser Kulisse sticht die limonengrüne Tasche einer Passantin oder der fröhlich orangerote Schirm eines kleinen Mädchens besonders hervor und hebt unsere Laune augenblicklich. Farben sind essenziell.
    Fast jeder Moment des Tages ist bunt eingefärbt, und Farben beeinflussen uns dabei sowohl emotional, mental als auch rein physisch: Er hatte gerade seine vierte Tankstelle überfallen, dem Betreiber eine geladene Pistole unter die Nase gehalten und anschließend im Gefängnis seine komplette Zelle zerlegt. Später saß er lammfromm auf einer Pritsche– nach nur einer Viertelstunde in einem rosafarbenen Raum. 1
    Sie hatte eine ganze Woche lang jeden Tag eisern ihre Salatblätter an Karotteneinerlei gekaut, aber hörte auf der Party trotzdem als Erstes: » Diäten bringen also auch bei dir nichts!«– weil sie in einem gelben Kleid steckte. Farben wirken …
    â€¦ und Farben sprechen. Unbewusst verwenden wir Farben nahezu jeden Tag, um Gemütszustände oder Stimmungen zu umschreiben, und sprechen sogar von einer Färbung der Sprache bei Ausdrücken wie » heute ist alles grau in grau«, » die Welt durch die rosarote Brille sehen«– oder man sieht gleich ganz » rot«. Sind Farben im Spiel, hat man sofort ein klares Bild vor Augen und ein Gefühl für die Situation. In der Psychologie, im Manchester Colour Wheel, werden Farben beziehungsweise deren Sprache von Wissenschaftlern sogar verwendet, um Emotionen zu kommunizieren. Patienten, die Probleme haben, sich präzise auszudrücken oder ihre Gefühle in Worte zu kleiden, wählen dabei eine Farbe aus, die ihrem Gefühlszustand entspricht, womit Farben anstelle von Wörtern als Hilfsmittel benutzt werden, um objektivierbare Aussagen zu erhalten. 2
    Die Farbsprache war früher vielen zumindest in Teilen geläufig. Da die Menschen im Mittelalter größtenteils weder lesen noch schreiben konnten, kam nicht nur den einzelnen Gegenständen auf Gemälden und deren Symbolgehalt eine große Rolle zu, wie etwa dem fleckenlosen Spiegel auf Jan van Eycks Arnolfini-Hochzeit, der von der Reinheit der Braut spricht. Die Menschen wussten damals auch etwas mit den Farben anzufangen. So erkannte man in der Verwendung der Komplementärfarben Rot und Grün für die Gewänder des Paares die Vereinigung der Gegensätze, die Vereinigung von Mann und Frau in der Ehe. Genauso wusste man, dass Grün für die aufkeimende, Rot für die bestehende Liebe steht.
    Farben werden allerdings nicht nur symbolisch, sondern auch vor dem Hintergrund alltäglicher Erfahrungen gedeutet, die man mit ihnen gemacht hat. Die Interpretation einer Farbe ist dabei kulturabhängig, das heißt, das Umfeld, in dem man lebt, prägt die Wirkung einer Farbe. Deswegen steht Grün bei Wüstenvölkern für das Paradies, während es in unseren Breiten eher » nur« mit der Natur in Verbindung gebracht wird.
    In eine ähnliche Richtung geht die Deutung von Farben über Assoziationen, die man mit ihnen verbindet. 3 Daher wird Rot gerne mit Blut und Lebenskraft, Grün dagegen mit Unreife und Unerfahrenheit in Verbindung gebracht, da unreife Früchte meist noch grün sind. Daneben können persönliche Erlebnisse mit der Farbe eine entscheidende Rolle spielen, und manch einer mag Türkis mit einer glücklichen Kindheit
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