Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
waren mit Unterwäsche, Pullovern, Krawatten, Krawattennadeln, Manschettenknöpfen und sogar ein paar Ärmelbändern mit Gummizug gefüllt.
    Ich untersuchte alles, berührte es zögernd. Es gab wenig, was ich behalten wollte: ein Paar Manschettenknöpfe vielleicht, Dinge, die ich mit ihm verbinden würde. Ich wusste, dass ich das ganze Zeug einsammeln, in große Beutel packen und zu einem Oxfam-Shop bringen sollte. Aber nicht heute, nicht heute.
    Gina hatte bereits erklärt, sie wolle nichts von diesem alten Kram haben. Ich ärgerte mich darüber, dass sie nicht hier war, dass sie wieder in die Sonne von Miami Beach geflohen war und mich mit diesem Mist allein ließ. Aber sie hatte sich immer aus dem Familientrubel herausgehalten. Peter McLachlan war ein besserer Sohn als sie eine Tochter, dachte ich bitter.
    Ich war alles andere als fertig, aber für den Moment reichte es mir. Ich machte, dass ich hinauskam.
    Die Wände über dem Treppenabsatz waren mit weiteren katholischen Ziergegenständen, weiteren Marien geschmückt – sogar mit einem Heiligen Herz Jesu, einer Statue von Jesus mit entblößter Brust, die sein brennendes Herz zeigte, die Darstellung eines besonders schaurigen mittelalterlichen »Wunders«. Ich fragte mich, was ich mit all den katholischen Paraphernalien machen sollte. Es wäre mir respektlos, wenn nicht gar als ein Sakrileg erschienen, sie einfach in den Müll zu werfen. Vielleicht konnte ich sie zur Gemeindekirche bringen. Zu meiner Bestürzung wurde mir klar, dass ich keine Ahnung hatte, wer der Pfarrer war; zweifellos war er Jahrzehnte jünger als ich.
    Ich schaute zu der Luke hinauf, durch die man auf den Dachboden gelangte. Sie war nicht mehr als ein kleines, rechteckiges, aus der Decke geschnittenes Paneel. Wenn ich dort hinaufwollte, sollte ich mir lieber eine Leiter suchen.
    Zur Hölle damit. Ich stützte mich an der Wand des Treppenhauses ab, schaffte es, einen Fuß aufs Geländer zu stellen, und drückte mich hoch. So war ich als Kind immer auf den Dachboden geklettert. Ich sah Spinnennetze und kleine Unregelmäßigkeiten im Deckenanstrich, die im Licht des Fensters auf dem Treppenabsatz feine Schatten warfen. Ich drückte gegen die Klappe. Sie war schwerer, als ich sie in Erinnerung hatte, und da sie offenbar schon lange nicht mehr geöffnet worden war, hatte sie sich verzogen. Aber sie löste sich mit einem leisen, reißenden Geräusch.
    Ich steckte den Kopf in den Dachboden. Es roch staubig, aber sauber. Ich langte nach oben zu einem Schalter, der an einem Querbalken angebracht war; das Licht einer Glühbirne, die von einem Dachsparren baumelte, war hell, reichte aber nicht sehr weit.
    Ich legte die Hände auf den Rand des Rahmens. Als ich den letzten Schritt probierte – ich stieß mich vom Geländer ab und drückte mich mit den Armen hoch –, wurde ich mir auf einmal meiner größeren Körpermasse und meiner schwächeren Muskeln bewusst; ich war kein Kind mehr. Eine Sekunde lang glaubte ich, ich würde es nicht schaffen. Aber dann erwies sich mein Bizeps als der Beanspruchung gewachsen. Ich hievte meinen Bauch durch die Luke und setzte mich schwer atmend auf einen Balken, der quer durch den Dachraum lief.
    Schachteln und Kisten erstreckten sich in die Schatten wie die Gebäude einer düsteren Miniaturstadt. Ein scharfer, verbrannter Geruch breitete sich aus, als der Staub auf der Glühbirne zu Asche wurde. Der Blick nach unten ins helle Haus war wie die Vision eines umgekehrten Himmels. Als Kind wurde mir nur selten erlaubt, hier heraufzukommen, und selbst als Teenager hatte ich meine Absicht, den Dachboden in so etwas wie meine Bude zu verwandeln, nicht verwirklichen dürfen. Aber das Gefühl der Abgeschiedenheit, das mich überkam, wenn ich durch die Haut des Hauses in diese andere Welt überwechselte, hatte ich immer geliebt.
    Ich schwang die Beine herauf. Das Dach war niedrig; ich musste über die Dielen krabbeln, die ich in meinen Zwanzigern über die Dachdämmung genagelt hatte, als sich herausgestellt hatte, dass Glasfaserdämmung nicht gerade gesundheitsfördernd war. Bald waren meine Hände schmutzig, und meine Knie begannen zu schmerzen.
    Die meisten Schachteln enthielten Dads Sachen – er war Buchhalter gewesen und hatte sich später selbstständig gemacht; ich fand Akten seiner diversen Arbeitgeber und sogar ein paar muffige alte Buchhaltungslehrbücher. Es war wohl kaum nötig, etwas von diesem Zeug zu behalten; er war vor über acht Jahren in den Ruhestand
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher