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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden
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Wenn wir mehr als hunderttausend mitnehmen, haben wir Glück.«
    »Hunderttausend – ist das alles, Sir?«
    »Eine schreckliche Verschwendung – ja, ich weiß. Aber was spielt das schon für eine Rolle? Es waren eine Milliarde sinnloser Leben, der Kulminationspunkt tausend sinnloser Generationen. Und schauen Sie sich das an.«
    Sie tippte in das schwebende Bild. Die Kolonie in der Tiefe wurde rot und zeigte sich als unverkennbare Torusform um den im Eis begrabenen Berg. Und als sich der Abstand vergrößerte, sah Abil, dass noch viele weitere solcher roten Flecken das weiße Antlitz des Planeten zernarbten, von Pol zu Pol und um den Äquator herum.
    »Es gibt ungefähr tausend Labyrinthe auf diesem einen Planeten«, sagte Dower leise. »Die meisten wissen nichts voneinander. Wir werden sie wahrscheinlich nicht einmal alle ausmisten können. Ich habe das schon oft gesehen, auf Welten, die so anders waren als diese, wie Sie es sich nur vorstellen können, Matrose – aber alle Labyrinthe sind im Grunde identisch. Überall, wo Menschen am Rande des Existenzminimums leben, wo sie dicht aufeinander hocken, kommt es immer wieder zur eusozialen Lösung. Ich glaube, es ist ein Fehler in unseren geistig-seelischen Verarbeitungsprozessen.«
    An einer Stelle waren zwei Kolonien in Kontakt; blassrosa Ranken gingen von ihren roten Kernen aus. Dower gab mit leiser Stimme einen Befehl. Die Zeitskala des simulierten Bildes beschleunigte sich, sodass Tage und Wochen binnen Sekunden vergingen.
    Abil sah, dass die beiden Kolonien immer wieder tastend ihre Ranken nacheinander ausstreckten. Wo sie in Kontakt kamen, leuchtete es karmesinrot auf – ein Karmesinrot, erkannte er, das zeigte, wo Menschen starben.
    »Sie kämpfen miteinander«, sagte er. »Es ist fast so, als wären die Kolonien selbst Lebewesen, Sir.«
    »Das sind sie ja auch«, erwiderte Dower.
    »Aber – tausend von dieser Sorte? Das wären – ähm – eine Billion Menschen allein auf diesem lichtlosen Planeten, die alle von den Abfällen der thermalen Spalten leben.«
    »Gibt einem zu denken, nicht wahr? Oh, die Koaleszenten sind effizient. Aber sie sind nur Drohnen. Uns gehört die Geschichte.« Mit einer Handbewegung rief sie ein neues Bild auf, ein Sternenfeld, durch das sich ein gewaltiger Fluss aus Licht zog. Sie zeigte aufs Zentrum der Galaxis. »Lassen wir die Koaleszenten in ihren Löchern im Boden. Wir fliegen dorthin, Matrose; dort wird sich unser Schicksal erfüllen – im positiven oder negativen Sinn.«
    Als sie fort war, holte Abil das Bild der langsam rotierenden Kugel zurück, deren weiße Oberfläche von den Pusteln der Labyrinthe übersät war.
    Hier gab es keine Städte, dachte er, keine Staaten. Es gab nur die Kolonien der Koaleszenten. Die riesigen Wesenheiten führten ihre langsamen und lautlosen Kriege gegeneinander, formten und verbrauchten das Leben ihrer menschlichen Drohnen, Drohnen, die sich vielleicht für frei und glücklich gehalten hatten – und all das unbewusst und ohne Mitgefühl. Auf dieser Welt war die Geschichte der Menschheit zu Ende, dachte er. Auf dieser Welt gehörte die Zukunft den Schwärmen.
    Aber es gab noch andere Welten.
    Das Sternenschiff schoss mit einem fast unmerklichen Ruck davon. Der Eisplanet krümmte sich um sich selbst und stürzte in die Dunkelheit.

 
52
     
     
    Einer meiner Lieblingsspaziergänge ist ziemlich kurz. Man folgt den aus dem Stein gehauenen Stufen und geht durch Gassen und Torbögen, zwischen den wackeligen Häusern hindurch, die so eng beieinander stehen, dass sie sich fast berühren. Schon nach ein paar Minuten kann man dann von Amalfi bis nach Atrani wandern, einer winzigen mittelalterlichen Stadt, die sich in die nächste Bucht dieser gefurchten Küste schmiegt.
    Auf der zentralen Piazza von Atrani gibt es ein Straßencafé, in dem man Kaffee oder Coca Cola trinken und der Sonne dabei zusehen kann, wie sie über die aufragenden vulkanischen Hügel hinweggleitet. Es ist recht friedlich, sofern man die Zeiten meidet, in denen die Schulkinder den Platz überfluten, oder den frühen Abend, wenn junge Männer auf ihren glänzenden Mofas und Motorrädern für die Mädchen posieren.
    Gestern – es war Sonntag – habe ich den Fehler gemacht, mittags hier zu sitzen. Alles war friedlich, nur ein paar erstaunlich elegant gekleidete Kirchgänger schlenderten über den Platz und unterhielten sich auf die intensive, sehr körperliche Weise der Italiener. Der Kellner brachte mir meinen Kaffee.
    Und
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