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Der Nebel weicht

Der Nebel weicht

Titel: Der Nebel weicht
Autoren: Poul Anderson
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Umstand, daß ihr das hier im geheimen versucht habt, zeigt, daß auch ihr das wißt.
    Was hatte die alte Welt neunzig Prozent der menschlichen Rasse zu bieten? Mühsal, Ignoranz, Krankheit, Krieg, Unterdrückung, Not, Furcht – von der schmutzigen Geburt bis zum erbärmlichen Grab. Falls man in einem glücklichen Land geboren wurde, konnte man sich täglich den Bauch füllen und hatte ein paar glitzernde Spielzeuge, aber keine Hoffnungen, keine Visionen, keinen Lebenszweck und keine Ziele. Die Tatsache, daß eine Zivilisation nach der anderen zerfiel, zeigt, daß wir nicht für sie geschaffen waren; von Natur aus waren wir Wilde. Jetzt haben wir die Chance, diesen Kreislauf hinter uns zu lassen und woanders hin zu gehen. Niemand weiß, wo, kann es nicht einmal erahnen – aber uns wurden die Augen geöffnet, und ihr wolltet sie wieder schließen!“
    Mandelbaum brach ab, seufzte und wandte sich an seine Helfer. „Bringt sie weg“, sagte er.
    Die Verschwörergruppe wurde auf das Floß geführt – sanft und freundlich, es gab keinen Grund für Härte oder Bosheit. Mandelbaum beobachtete, wie das Floß langsam in das Sternenschiff emporschwebte. Dann wandte er sich dem länglichen Metallgebilde auf dem Boden zu.
    „Was für eine heroische Tat“, murmelte er und schüttelte den Kopf. „Vergeblich, aber heroisch. Es sind gute Männer. Ich hoffe, es dauert nicht allzulange, sie zu heilen.“
    Corinth grinste schief. „Natürlich sind wir absolut im Recht“, sagte er.
    Mandelbaum kicherte. „Tut mir leid, daß ich einen Vortrag gehalten habe“, erwiderte er. „Die alten Gewohnheiten sind noch zu stark – die Fakten müssen moralisch bewertet werden … Na ja, wir, die Menschen, sollten das bald überwunden haben.“
    Der Physiker wurde ernst. „Man muß irgendeine Moral haben“, meinte er.
    „Sicher, in der Weise, daß man letztlich ein Motiv für alles haben muß, was man tut. Trotzdem glaube ich, daß wir die Art von blasiertem, heuchlerischem Code hinter uns gelassen haben, der zu Kreuzzügen, verbrannten Ketzern und Konzentrationslagern führte. Wir brauchen mehr persönliche und weniger öffentliche Ehre.“
    Mandelbaum gähnte und streckte seine drahtige Gestalt, bis die Knochen zu knacken schienen. „Ein langer Ritt und nicht einmal eine richtige Schießerei am Ende“, sagte er. Das Floß sank automatisch wieder auf den Boden zurück. „Ich gehe schlafen. Wir können uns den Schrotthaufen morgen früh ansehen. Kommst du mit?“
    „Noch nicht“, erwiderte Corinth. „Ich bin zu müde.“ (Ich möchte ein wenig nachdenken.) „Ich gehe noch zum Strand.“
    „Okay.“ Mandelbaum lächelte mit einer seltsamen Zärtlichkeit. „Gute Nacht.“
    „Gute Nacht.“ Corinth wandte sich um und verließ die Lichtung, Helga begleitete ihn wortlos.
    Sie erreichten den Strand, der im Mondschein wie Rauhreif glänzte. Jenseits des Riffs schäumte und donnerte die Brandung, und das Meer glänzte im kalten Schimmer der Phosphoreszenz.
    Hoch über ihnen standen die Sterne in einem kristallklaren Himmel. Corinth spürte den Wind scharf und salzig in seinem Gesicht. Hinter ihm rumorte und flüsterte der Dschungel, und der Sand knirschte leise unter seinen Füßen. Er nahm das alles mit unnatürlicher Klarheit wahr, als sei er nicht mehr er selbst, sondern nur noch diese Sinneseindrücke.
    Er sah Helga an, die seinen Arm hielt. Ihr Gesicht hob sich scharf vor der Dunkelheit ab, und ihr Haar, das sich gelöst hatte, flatterte weißschimmernd im Wind. Ihre beiden Schatten vereinigten sich zu einem, der schwarzblau auf den glitzernden Sand fiel. Er spürte den Rhythmus ihres Atems, als sie sich leicht an ihn lehnte.
    Sie brauchten nicht zu sprechen, dafür war durch gemeinsames Schaffen und gegenseitige Beobachtung ein zu großes Verständnis, ein tiefes, wechselseitiges Kennen zwischen ihnen erwachsen, und jetzt standen sie eine Zeitlang schweigend da. Das Meer sprach zu ihnen, das gigantische Pulsieren der Wellen, das Dröhnen, wenn sie auf das Riff trafen, und das Rauschen, wenn sie zurückströmten. Der Wind flüsterte und murmelte unter dem Himmel.
     
    Gravitation (Sonne, Mond, Sterne, die überwältigende Einheit der Raum-Zeit)
    + Korioliskraft (der Planet, der rotierend seinen Weg durch Kilometer und Jahre nimmt)
    + Flüssigkeitsreibung (die Ozeane, die zwischen schmalen Meerengen malen, wirbeln, röhren, schäumen und über Felsen zusammenschlagen)
    + Vulkanismus (Feuer, tief im Bauch des Planeten, das
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