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Der Nebel weicht

Der Nebel weicht

Titel: Der Nebel weicht
Autoren: Poul Anderson
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zugestehen, daß der traditionsbewußte Anderson, der das Erbe seiner dänischen Vorfahren in die amerikanische Fantasy einbrachte, eine Alternative zu den sonst tonangebenden schwertschwingenden Barbaren bot.
    Eigenständiger noch der Roman Kinder des Wassermanns (The Merman’s Children) {4} , der im Ganzen sehr europäisch wirkt und auf den reichen Schatz europäischer Sagen-, Märchen- und Legendentradition verweist, der zum größten Teil noch ungehoben ist oder von amerikanischen Autoren – die sich hier gern bedienen – recht oberflächlich aufgegriffen wurde. Überzeugend wird eine abendländische Welt dargestellt, die von der noch ungebrochenen geistlichen Macht der Kirche – die sich anschickt, die letzten noch übersehenen Winkel Europas zu christianisieren – und der nicht minder kraftvollen Handelsmacht der Hanse geprägt wird. Dieses Spannungsfeld ist nicht Thema des Romans, aber es ist präsent im täglichen Leben der meist einfachen Leute, die Anderson hier in den Mittelpunkt rückt: der unerfahrene junge Seemann Niels, die Prostituierte Ingeborg und all die anderen. Es ist ein reiches Buch mit vielen hübschen Einfällen und fesselnden Charakteren – man denke an den Wer-Seehund Hauau, an Vater Tomislav und die Vilja, die einst seine Tochter war, an die Freundlichkeit, die den Heimatlosen von den Inuit oder den Delphinen entgegengebracht wird, an den vom Riesenkraken bewachten versunkenen Schatz oder den untoten Tupilak …
    Dies alles bekommt den großen Atem, verdichtet sich zu einer weitgespannten Saga durch das im Zentrum des Ganzen stehende Geschick des heimatlos gewordenen Seevolks von Liri. Hier offenbart Anderson eine Sensibilität und einen Hang zur Tragödie, wie beides zuvor nur in seinen besten Kurzgeschichten und vielleicht in dem Roman The Dancer from Atlantis (Die Tänzerin von Atlantis) sichtbar wurde.
    Zu Andersons besseren Romanen gehört sicherlich auch The High Crusade (Sir Rogers himmlischer Kreuzzug, Moewig-SF 3566), wo geschildert wird, wie sich ein mittelalterlicher Ritter mit seinen Mannen in den Besitz eines Raumschiffes extraterrestrischer Aggressoren setzt und munter damit beginnt, ein Sternenreich zu etablieren. Diese Geschichte zeichnet sich durch einigen Witz und Ironie aus, beeindruckt durch den Triumph simpler Mittel über hochentwickelte Waffentechnik und hat trotz der im Grunde kriegerisch-blutigen Handlung den Flair eines nicht sehr ernst gemeinten SF-Märchens.
    Was nun das vorliegende Buch angeht, so halte ich es, alles in allem, für Andersons beste Leistung auf dem Gebiet des Romans. Das Werk ist eine durch Phantasie und Logik überzeugende positive Utopie mit beeindruckenden Szenenfolgen, starken Charakteren und einem ausgeprägten Idealismus. Gewiß, manchmal rutscht Anderson ins Sentimentale ab oder wird unangemessen pathetisch, und auch einige andere Schwächen sind nicht zu übersehen. So ist recht zweifelhaft, daß die Intelligenzsteigerung in der geschilderten Form funktionieren würde, und die Beziehungen zwischen Ratio und Emotion sind etwas diffus geschildert. Generell bleibt ohnehin der Einwand, daß Menschen mit höherem IQ kaum zutreffend aus einer tieferen Ebene heraus zu schildern sind.
    Und schließlich versäumt es Anderson auch, die neue Gesellschaftsform zu präzisieren, die sich nach Überwindung der derzeitigen Gesellschaftsformen herausbildet. Auf den ersten Blick zumindest scheint sich nicht allzuviel geändert zu haben.
    Aber, wie gesagt, ungeachtet dieser Einwände bleibt Brain Wave (Der Nebel weicht) ein einfühlsames und mitreißendes Buch und ein Klassiker der jüngeren Science Fiction.
     
    Hans Joachim Alpers

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