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Der Nebel weicht

Der Nebel weicht

Titel: Der Nebel weicht
Autoren: Poul Anderson
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zwei Stunden bis Mitternacht“, stellte er fest. „Sind wir bis dahin fertig?“
    „Wahrscheinlich“, antwortete der Russe. „Wir haben schon fast alles zusammengebaut.“
    Während sie zum Strand hinuntergingen, zeigte er auf den schwarzen Schatten, der wie ein häßlicher Fleck in der Lagune lag. Er und ein Genosse hatten den alten Dampfer vor Monaten gekauft und ihn mit allen möglichen automatischen Maschinen ausgerüstet, so daß sie ohne zusätzliche Besatzung auf die lange Reise gehen konnten. Das war ein Teil ihrer Aufgabe gewesen: nicht allzu schwierig für zwei entschlossene Männer. Sie waren durch die Ostsee gedampft, hatten einen Teil ihrer Ladung in Schweden an Bord genommen und später Frankreich, Italien, Ägypten und Indien auf ihrem Kurs zum vereinbarten Treffpunkt angelaufen. Seit einigen Tagen nun hatte die Arbeit des Zusammenbaus von Raumschiff und Ladung rasche Fortschritte gemacht.
    Die Brandung toste und donnerte – ein tiefes, volles Dröhnen, das den Boden unter den Füßen erzittern ließ – und schlug weiß gegen den Strand, Sand und Korallen knirschten unter schweren Stiefeln, Palmen und Bambus raschelten trocken in dem leichten Wind, und ein aufgescheuchter Papagei lärmte in der Dunkelheit. Abgesehen davon herrschten Schlaf und Stille.
    Weiter landeinwärts moderten die Ruinen der alten Baracken in ihrem Leichentuch aus Schlingpflanzen. Grunewald roch ihre Blüten und den schweren Dunst von verrottendem Holz – ein Duft, der ihn schwindlig machte. Auf der anderen Seite der Ruinen standen einige kürzlich errichtete Zelte, und über ihnen ragte das Raumschiff empor.
    Ein in seinen klaren Linien schönes Gebilde, das im Licht des Mondes wie eine schlanke Säule aus grauem Eis zu den Sternen wies. Grunewald betrachtete es mit einer seltsamen Mischung von Gefühlen: ungestümer Stolz über den Erfolg, tiefe Bewunderung über die Schönheit der Konstruktion, Bedauern darüber, daß er bald die transzendente Logik nicht mehr begreifen würde, die den raschen Entwurf und Bau des Schiffes möglich gemacht hatte.
    Er sah Manzelli an. „Ich beneide Sie, mein Freund.“
    Einige der Männer würden mit dem Schiff aufsteigen, es in den Orbit lenken und die abschließenden Arbeiten leisten, die nötig waren, um den Feldgenerator an Bord zu justieren und in Betrieb zu setzen. Dann würden sie sterben, denn es war nicht genug Zeit geblieben, um Vorkehrungen für eine Rückkehr zu schaffen.
    Grunewald fühlte sich von der Zeit gehetzt. Bald mußte das nächste Sternenschiff fertig sein, und an anderen Orten entstanden weitere. Dann würde der Vormarsch der Rasse und der Zeit nicht mehr aufzuhalten sein. Heute nacht wurde die letzte Hoffnung der Menschheit – der menschlichen Menschheit – vorbereitet; wenn das Unternehmen fehlschlug, würde es niemals mehr eine neue Hoffnung geben.
    „Ich glaube“, sagte er, „daß die ganze Welt vor Sonnenaufgang vor Erleichterung aufstöhnen wird.“
    „Nein“, entgegnete der Australier praktisch. „Sie werden wütender sein als ein Nest voll Hornissen. Es wird einige Zeit dauern, bis sie erkennen, daß sie gerettet wurden.“
    Nun, es würde genug Zeit geben. Das Raumschiff war mit Verteidigungsanlagen ausgerüstet, zu deren Überwindung Menschen mit einem Prä-Veränderungs-Standard mehr als ein Jahrhundert benötigen würden. Seine Roboter würden alle Raketen und Schiffe zerstören, die sich ihm von der Erde aus näherten. Und der Mensch, die gesamte Rasse, würde die Chance haben, wieder zu Atem zu kommen und sich an seine alten Sehnsüchte und Freuden zu erinnern, und danach würde er niemals mehr versuchen, das Raumschiff zu zerstören.
    Die anderen Männer entluden das Flugzeug und schleppten die empfindliche Ladung heran. Dann machten Grunewald und Manzelli sich an die Arbeit; sie packten die Kisten vorsichtig aus.
    Deshalb bemerkten sie auch den lautlosen Schatten nicht, der wie ein Hai der Luft beobachtend über ihnen schwebte. Erst als er sie ansprach, blickten sie auf.
    Die verstärkte Stimme klang freundlich, fast ein wenig mitleidig: „Tut mir leid, daß ich euch enttäuschen muß, aber ihr seid weit genug gegangen.“
    Grunewald starrte zusammenzuckend nach oben, sah den Stahlschimmer in der Nacht, und sein Herz setzte für einen Moment aus. Der Russe zog eine Pistole und feuerte. Die Schüsse richteten nichts aus und verklangen im monotonen Tosen der Brandung. Aufgeschreckte Vögel begannen zu kreischen, und ihre Flügel flatterten
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