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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch
Autoren: Volker Kutscher
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ausgefallen. Als Rath am Luisenufer in den Hinterhof trat, waren bereits alle Lichter erloschen.
     Das kannte er schon, hier ging man früh zu Bett. An den Fenstern der Portierswohnung hingen keine Gardinen. Die Schäffners
     waren ausgezogen. Dem Hauswart Hermann Schäffner, arbeitsunfähig aufgrund seiner Verletzungen an der rechten Hand, hatte der
     preußische Staat eine großzügige Versehrtenrente zugesprochen. Und Lennartz, der neue Hauswart, renovierte noch.
    Das Polizeisiegel an der Dachgeschosswohnung im Hinterhaus war längst entfernt worden. Die Wohnung war immer noch nicht neu
     vermietet, Frau Steinrück alias Sorokina hatte sie ein halbes Jahr im Voraus bezahlt. Eines Abends hatte Rath Ilja Tretschkow
     über den Hof eilen sehen. Er hatte den Russen einholen wollen und war aus seiner Wohnung gestürmt, doch als er auf die Straße
     trat, war Tretschkow verschwunden.
    Das lag nun auch schon ein, zwei Wochen zurück. Rath musste daran denken, als er die Wohnungstür aufschließen wollte und von
     oben ein Geräusch hörte. Die Liebigs konnten das nicht sein. Die Kommunisten gingen früh schlafen. Er überlegte nicht lange,
     leise stieg Rath die Treppe hinauf.
    Er hatte richtig gehört. In der Dachgeschosswohnung war jemand.
    Durch die Türritzen fiel Licht ins Treppenhaus. Er hörte leise Schritte. Sollte Tretschkow wieder zum Putzen gekommen sein?
     Es war schon Mitternacht durch.
    Rath klopfte einfach an.
    Es dauerte etwas, aber schließlich öffnete sich die Tür einen kleinen Spalt. Er sah in das Gesicht einer schönen Frau.
    Swetlana Sorokina. Inzwischen hatte sie wieder schwarzes Haar.
    »Guten Abend«, sagte Rath. »Ich sah noch Licht brennen, und …«
    »Und?«
    »Wir sind uns noch nicht begegnet.« Er streckte seine Hand durch den Türspalt. »Lennartz, Peter Lennartz. Ich bin der neue
     Hauswart.«
    »Ingeborg Steinrück.«
    »Ich würde Sie gern einen Moment sprechen, Fräulein Steinrück.«
    »Um diese Uhrzeit?«
    »Ich bräuchte dringend einige Unterschriften. Sie waren nie zu Hause, wenn ich …«
    »Ich war verreist.«
    Sie schien misstrauisch, aber sie öffnete die Tür. Rath trat ein. Die Wohnung hatte sich seit seinem letzten Besuch nicht
     verändert.
    »So, Herr Lennartz, dann zeigen Sie mir bitte die Papiere, die ich unterschreiben muss, damit wir es hinter uns bringen. Ich
     bin müde.«
    Im elektrischen Licht sah Rath, wie schön sie war. Es hätte ihn beinah umgehauen.
    »Ich habe Sie angelogen«, sagte er. »Ich heiße genauso wenig Lennartz, wie Sie Steinrück heißen. Mein Name ist Gereon Rath,
     und ich arbeite bei der Kriminalpolizei, Gräfin Sorokina.«
    »Ich kenne Ihren Namen.« Ihre Stimme klang hart. »Sie sind der Polizist, der nach mir hat suchen lassen! Was wollen Sie? Mich
     verhaften?«
    »Mit Ihnen reden. Ich …«
    Er stockte. Plötzlich blickte er in den Lauf einer Pistole.
    »Keine Angst. Ich werde Sie nicht verraten«, sagte er. »Stecken Sie das Ding wieder ein.«
    »Warum sollte ich Ihnen trauen?«
    »Weil ich Ihnen schon ein paar Mal geholfen habe.«
    »Ich wüsste nicht wann. Und nun nehmen Sie bitte die Hände hoch. Versuchen Sie keine Tricks. Ich bin eine geübte Schützin.«
    Rath gehorchte. »Ich habe Ihr Versteck im Delphi gefunden, aber ich habe geschwiegen. Und ich weiß, dass es Ihr Haartrockner war, der in der Badewanne von Selenskij gelandet
     ist. Und dass Sie in der Yorckstraße waren, als Nikita Fallin vier Stockwerke tief stürzte. Ich habe Sie nicht als Mordverdächtige
     auf die Liste gesetzt.«
    »Und dafür soll ich Ihnen dankbar sein?«
    »Es reicht, wenn Sie mir nicht länger mit der Pistole vor der Nase herumfuchteln.«
    »Ich bin Ihnen zu keinerlei Dank verpflichtet«, sagte sie. »Ich habe diese beiden Männer nicht umgebracht. Auch wenn sie es
     verdient haben. Ich gebe zu, ich wollte sie töten. Aber für die reine Absicht wird man doch wohl nicht bestraft.«
    »Nein«, sagte Rath. Er bemühte sich, seine Überraschung nicht zu zeigen. Sagte sie die Wahrheit? »Aber warum waren Sie dann
     an der Yorckstraße, als Fallin starb? Sie haben den Mann doch in die Falle gelockt.«
    »Ich habe eine Treppe höher auf ihn gewartet, das ist richtig. Weil ich ihn erschießen wollte. Wie ich auch Selenskij erschießen
     wollte. Doch als ich hier am Haus ankam, stand Polizei vor seiner Tür. Dass er tot war, hab ich erst einen Tag später erfahren.«
    »Wie kam dann Ihr Haartrockner in seine Badewanne?«
    »Ich habe ihn jedenfalls nicht
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