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Der Narr

Der Narr

Titel: Der Narr
Autoren: Stefan Papp
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Fortschritt gewesen. Horsts Worte dröhnten noch in seinem Kopf: Heisenstein-Tochter in Reichenstein ermordet worden. Hatte er das Telefonat zu schnell abgewürgt? Sein Freund war gelegentlich paranoid. Für ihn war selbst ein Flatulenz-Künstler ein potentieller heimlicher Terrorist. Wüsste er, dass etwas nicht stimmte, er würde zur wandelnden Zeitbombe werden. Zum Glück hatte Sam das Blut auf dem T-Shirt nicht erwähnt.
    Der ganze Ort, die ganze Region, ja das ganze Land waren in Aufruhr. Die Tochter von Dr. Heisenstein, Mitglied des Vorstandes der mächtigsten Bank Oberösterreichs, kaltblütig ermordet. Eine junge Frau mit Visionen, für immer ausgelöscht. Bestialisch aufgeschlitzt von unbekanntem Schlächter. Tatort: Burgruine Reichenstein, etwa acht Kilometer von Pregarten entfernt. Die Lokalnachrichten waren voll mit Horrorschlagzeilen.
    »Nächste Haltestelle - Linke Brückenstrasse« – Noch fünf Stationen.
    Österreichische Freunde nannten ihn ein ›Vaserl‹. Sam mied strikt jede Gefahr, bei der kein Reload-Button oder Sonic Screwdriver alles wieder in Ordnung bringen konnte. Er hatte doch alles schon gesehen! Nur eine kleine Dummheit, eine kurze Unachtsamkeit und das Unwiderrufliche, das Immerwährende, der kalte Einschnitt reißt ein junges, unschuldiges Leben ins Elend: In einem Krankenhausbett aufwachen und auf eine Decke starren müssen, weil der Körper nicht mehr funktionierte. Von solchen Fällen hatte er gehört. Das war keine Angst, das war Vernunft. Sollten sich andere beim Bungeejumping und Hochseilklettern das Kreuz brechen, Sams Action fand auf Partys statt!
    Bislang hatte er auch keinen Zoff gehabt, abgesehen natürlich von ein paar Jugendsünden, die einfach dazugehörten und verzeihlich waren. Es wäre doch furchtbar, wenn in jungen Jahren bereits alles auf brav und spießig vorprogrammiert wäre.
    Andere waren nüchtern schon gewalttätig. Wieso hatte es nicht so eine zerstörte Existenz erwischt? Warum zitterte ein junger Mann, der noch sein ganzes Leben vor sich hatte, davor, von wildfremden Menschen überwältig zu werden, weil er vielleicht etwas verbrochen hatte, an das er sich nicht einmal mehr erinnern konnte? Er hatte nichts mit böser Absicht getan. Sollte er wirklich – was natürlich unmöglich wäre – aber sollte er wirklich etwas damit zu tun haben, dann musste es ein Unfall gewesen sein. Vielleicht rutschte sie aus und fiel in ein Messer, mit dem er gerade Brot schneiden wollte. Die Fakten: Blut auf seinem T-Shirt. Identifiziert, verurteilt, weggesperrt. Unschuldig. Erst mit Fünfzig wieder frische Luft schnappen. Auch von solchen Fällen hatte er gehört.
    »Nächste Haltestelle – Peuerbachbergstrasse« – Noch vier Stationen.
    Panik war kontraproduktiv, sie würde ihn nur verraten. Rationalität besiegte die Angst. Es musste eine logische Erklärung für das Blut am T-Shirt geben.
    Das gute alte ›Rasiermesser von Ockham‹: Von mehreren möglichen Erklärungen ein und desselben Sachverhalts ist die einfachste Theorie allen anderen vorzuziehen. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, der Mörder einer Unbekannten zu sein, wenn am Tatort dutzende Leute anwesend gewesen waren, die möglicherweise mit der Toten im Clinch lagen? Ein Punkt für ihn. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, wenn man vielleicht als einziger ein blutverschmiertes T-Shirt anhatte? Ein Punkt gegen ihn. Welche logische Erklärung könnte es sonst noch für das Blut am T-Shirt geben? Zum Teufel mit diesen Maximen, die sicher schon hunderte von Jahren alt waren!
    »Nächste Haltestelle – Wildbergstrasse« – Noch drei Stationen.
    Sam hatte zu Hause etwas in seiner Hosentasche gefunden, das nicht ihm gehörte: Eine Spielkarte. Auf der Karte war ein Skelett in schwarzer Ritterrüstung abgebildet, das auf einem weißen Ross an Sterbenden vorbeiritt. Der obere Rand war mit ›XIII‹ beziffert, am unteren Rand war in schwarzen Lettern ›Der Tod‹ aufgedruckt. Als Sam die Karte umgedreht hatte, fand er auf der Rückseite einen mit Kugelschreiber gekritzelten Namen: Lady Nimue, Linz!
    Google kannte, wie so oft, die Antwort. Die Webseite dieser Lady wirkte wie aus den Neunzigern. Animierte Bilder, ein Sternenhintergrund und ein paar Links. Natürlich fand er auch den Hinweis, dass die Seite noch vervollständigt wurde.
    Lady Nimue gab auf ihrer Seite an, von großen Lehrmeistern gelernt zu haben, von denen sie aber keinen namentlich nennen wollte. Nach jahrelanger praktischer Ausübung hatte sie
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