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Der Narr

Der Narr

Titel: Der Narr
Autoren: Stefan Papp
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getrieben. Und alles das auch noch nüchtern! Anders als die vielen Male zuvor, kamen seine Witze dieses Mal auch gut an. Es hatte sich viel verändert. Auch sein T-Shirt mit einem Technomage-Aufdruck aus ›Babylon 5‹ lag fein säuberlich dort, wo er es am Tag davor abgelegt hatte.
    Es läutete an der Tür. Sam schlurfte noch ein wenig schlaftrunken in den Flur und öffnete sie. Seine Augen weiteten sich, er konnte kaum glauben, wen er da sah. Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Passte auch wirklich alles? War auch alles in seiner Wohnung in Ordnung?

    *

    »Hanni! Schnell!«, rief Remmel aufgeregt. Sie rannte los. Alles was ihren Kollegen zu dieser frühen Stunde in Euphorie brachte, musste einzigartig sein.
    »Du wirst nicht glauben, auf was ich im Internet gestoßen bin!«
    Was war es? Die Weltenformel? Die Enthüllung des Geheimnisses, wer JFK umgebracht hatte oder gar die Nachricht über die Eröffnung eines Schnitzelhauses neben dem Amt? Sie roch sogar an Remmels Kaffee, um herauszufinden, ob er heimlich trank. Fehlanzeige!
    »Ich weiß, wer der Maulwurf war.«
    Als Hanni auf den Bildschirm blickte, musste sogar sie ihren Kaffee absetzen. Sie konnte nicht glauben, was sie sah: »Oh mein Gott! Das darf nicht wahr sein!«
    Der Uralt-Röhrenmonitor flimmerte, dass man Angst bekommen konnte, blind zu werden. Doch sie konnte ihre Augen nicht von dem abwenden, was sie da sah. »Kann er wirklich so dumm sein?«, fragte sie ungläubig.
    Die Seite ›Sheriff Schremser‹ hatte auf Facebook bereits 800 Fans. Das Schlimmste daran war jedoch, dass der Kollege auf einem Foto im Unterhemd und mit der Dienstwaffe in der Hand versuchte, wie John McClane aus ›Stirb langsam‹ auszusehen. Hanni musterte die Seite. Es gab Momente im Leben, in denen man weder weinen noch lachen konnte. Details zum Fall, sogar die Bilder der Verdächtigen, waren zu finden.
    »Ja«, antworte Remmel ohne zu zögern. Er kopierte den Link und öffnete einen neuen Thread im internen Polizeiforum, wohlwissend, dass diese Aktion zu Schremsers Suspendierung führen konnte. Am Bildschirm erschien die Frage ›Wollen Sie wirklich senden?‹
    »Wir haben wegen Kratochvil noch etwas rausgefunden«, sagte Hanni. »Wir wissen nun, dass er im Hotel Hilton einen Anruf von einem Arzt bekam.«
    »Und?«, wollte Remmel wissen.
    »Er bestätigte ihm seine Unfruchtbarkeit, die allem Anschein nach bei einem Unfall in seiner Kindheit entstanden war.«
    Remmel seufzte. Auf dem Bildschirm vor ihm flimmerte noch immer die Frage, ob der Kollege aus Linz, der ihn geärgert hatte, suspendiert werden sollte. Schremsers Karriere wäre beendet. Er würde vielleicht in ein seelisches Loch fallen und wegen Depressionen zu trinken beginnen.
    ›Wollen Sie wirklich senden?‹
    Er blickte auf die Uhr. Es gab Wichtigeres zu tun, als über das Schicksal eines Kollegen nachzudenken. Bald gab es in der Kantine die ersten warmen Leberkässemmeln. Er klickte kurzerhand auf ›Ja‹, zog sich sein khakifarbenes Sakko mit Quer- und Längsstreifen in verschiedenen Brauntönen an und verließ das Büro.

    *

    Nadja! Wie in aller Welt …?
    Die Wohnung war sauber, alles war weggeräumt. Sam musste sich nicht schämen. Er konnte sie ohne Bedenken hereinlassen. Nadja umarmte ihn herzlich, doch ihr Blick war traurig.
    »Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll …«, sagte sie zögerlich. Doch dann berichtete sie darüber, dass ihr Vater schon seit zwei Tagen verschwunden war. Sie hielt Sam einen Brief hin, den er ihr hinterlassen hatte:

    Liebe liebste Milotschka,
    Ich habe es immer als eine katastrophale Misere betrachtet, das eigene Schicksal in die Hände eines Gottes oder auch mehrerer Götter zu legen und darauf zu vertrauen, dass höhere Mächte das Schicksal für uns Menschen bestimmen. Leider unterstützt die Mehrheit der Menschen dieses Denksystem. Mein ganzes Leben lang strebte ich danach, für eine Glaubensform zu kämpfen, in der der Mensch im Zentrum steht. Wenn die Menschheit einmal beherzt daran glaubt, dass sie selbst für sich verantwortlich ist, werden wir alle in einer besseren Welt leben.
    In den letzten Jahren habe ich immer wieder mit Freude gesehen, dass sich vor allem viele junge Menschen, dank einer weltweiten Vernetzung durch neue Technologien, zusammenfinden und dass alte Strukturen endlich beginnen, aufzubrechen. Es mag sein, dass die Menschheit einfach nur Zeit braucht. Doch ich glaube, dass sie hin und wieder auch einen Schubs benötigt. Vielleicht bin ich
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