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Der Narr

Der Narr

Titel: Der Narr
Autoren: Stefan Papp
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größten Klappe schoben jedoch meist auch einen kleinen Ranzen vor sich her. So wurde auch ›Fönwelle‹ einer seiner Intimfeinde. Thomas Maler, ein Sheriff knapp über vierzig mit einer Frisur aus den Achtzigern, der noch gerne mit Waffen spielte. Mit dem richtigen Parteibuch für einen Kreuzzug gegen Randgruppen im Spind, war er groß im Austeilen, aber klein im Einstecken.
    Als Fönwelle in Begleitung von vier Kollegen in Uniform die Stiegen herabkam, sah Remmel bereits den Zoff voraus. Fönwelles Blick war eindeutig auf die Hintern seiner Kolleginnen fixiert. Es wäre ein Wunder gewesen, hätte er nicht versucht, Eindruck zu schinden.
    »Remmi-Demmi!«, grinste Fönwelle. »Dein Hintern schaut ja mittlerweile wie das Heck eines Schlachtkreuzers aus. Hätten wir im Krieg Schiffe gehabt, so groß wie dein Arsch, hätten wir jede Seeschlacht gewonnen.«
    Fönwelle wartete vergeblich auf ein Lachen. Nach zwei Stockwerken zu Fuß war Remmels Laune ohnehin schon am Tiefpunkt. Gleiches mit Gleichem vergelten, das war hier die Devise und so zielte auch er unter die Gürtellinie.
    »Maler, falls du mal mit den beiden Damen alleine sein solltest, zeig ihnen bitte nur die Glock. Sonst sind sie vielleicht enttäuscht.«
    Fönwelle lief hochrot an, als Remmel den zuvor ausgestreckten kleinen Finger langsam krümmte. Im Gegensatz zu Malers Bemerkung hatten die beiden Damen den Witz verstanden und kicherten. Fönwelle war sofort still. Er wollte offensichtlich nicht riskieren, dass Remmel nachstocherte.
    Fragte man Remmel nach seiner Meinung, so fehlte den meisten Kollegen die Fähigkeit genau zu beobachten und gut zuzuhören. Sie nahmen sich selbst zu wichtig und übersahen so die wertvollen Details in ihrer Umgebung. Gerade ein hoher Grad an Aufmerksamkeit, für Remmel die Grundlage jeder Polizeiarbeit, war das Geheimnis seiner Aufklärungsrate.
    Fönwelle war wie ein offenes Buch. Die Fotos am Server reichten aus, um sich ein Bild davon zu machen, wie der ›Held der letzten Afterwork-Party‹ untergegangen war. Auf jedem Foto, das zu späterer Stunde geschossen worden war, hatte der offensichtlich angeheiterte Fönwelle triumphierend seinen Arm um eine Kollegin gelegt. Anfangs blickte das Opfer seiner Begierden noch ein wenig brüskiert und verlegen in die Kamera. Doch in weiterer Folge konnte man anhand der Fotos verfolgen, wie auch sie nach und nach ihre Abneigung verlor. Auf dem letzten Schnappschuss hatte Fönwelle seinen Kopf sogar zwischen ihren Brüsten gebettet, was sie, einen Cocktail in der einen und eine Zigarette in der anderen Hand haltend, offenbar lustig fand.
    Als Fönwelle in den Tagen darauf wie ein getretener Hund ins Büro kam und dabei jedes Mal seine Sporttasche bei sich hatte, musste Remmel nur eins und eins zusammenzählen. Noch nie zuvor wirkte jemand bei der bloßen Erwähnung des Wortes ›Viagra‹ derart geknickt.
    Jedes Martyrium hatte sein Ende, auch das Treppensteigen. Vollkommen erschöpft riss Remmel die Tür zu Hannelore Czernys Büro auf. Sie hielt stolz ihr neues Smartphone in der Hand. Kurz gab sie ein langgezogenes »Seervaaaas Remmi!« von sich, tippte aber weiter auf dem Touchscreen herum.
    »Jetzt lass mal deine Hände von dem Scheißding. Wir müssen nach Linz. Und übrigens, deine neue Frisur ist entsetzlich, vorher war sie besser.«
    Sie würde natürlich wie immer seine Bemerkung ignorieren – es war zur Tradition geworden, sie mit einer abfälligen Bemerkung über ihre Haarpracht zu begrüßen. Selbst dann, wenn sie keine neue Frisur hatte. Remmel hatte ihr nie verziehen, dass sie sich schon vor Jahren ihr schönes, langes, blondes Naturhaar hatte abschneiden lassen.
    Ein weiteres Objekt seines Spotts war die mit Blumen bemalte rosa Thermoskanne, die Hanni ständig mit sich führte und die wie immer vor ihr am Tisch stand. Remmel hatte bereits kein Verständnis dafür, dass jemand regelmäßig Yogi-Tee trank. Aber eine simple Thermoskanne zu behandeln, als wäre sie ein heiliges Objekt, nur weil sie aus einem unvergesslichen Asienurlaub stammte, war zu viel für ihn.
    »Wieso rufst du nicht einfach an? Wir könnten schon seit zehn Minuten unterwegs sein!«
    Remmel seufzte. Das Telefon! Ein Telefon war für ihn ein stabiles, großes Ding aus Metall oder Plastik auf einem Tisch. Drehscheibe drehen oder Durchwahl tippen, warten und sprechen. Das war Telefonieren. Seitdem Hanni aber keinen Festnetzanschluss mehr hatte, war alles so kompliziert geworden. Er konnte sich ihre
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