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Der Mondscheingarten

Der Mondscheingarten

Titel: Der Mondscheingarten
Autoren: Corina Bomann
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zehn Jahren noch da ist, brauchst du nicht zu heiraten, dann schenke ich ihn dir zum Geburtstag.«
    Lilly wusste nicht, wieso, aber auf einmal wurde ihr wieder schmerzlich bewusst, dass sie selbst auch eine Tochter in Sunnys Alter hätte haben können. Nun ja, nicht ganz, denn sie hatte Peter kennengelernt, als sie einundzwanzig war, aber dennoch hätte sie, wenn das Schicksal es besser mit ihr gemeint hätte, eine pubertierende Tochter haben können, die ihr im Laden aushalf und sie über ihren Verlust hinwegtröstete. Manchmal ertappte sie sich dabei, dass sie beinahe mütterliche Gefühle für Sunny hegte. Dann pfiff sie sich rasch zurück, denn sie mochte die Studentin zwar, aber sie wollte ihr nicht all den Seelenmüll aufladen, für den sie sich zweifelsohne nicht interessierte.
    Du bist noch jung, sagte sie sich. Jung genug, um einen neuen Mann zu finden. Jung genug, um ein Kind zu bekommen. Doch ihre biologische Uhr tickte, und sie fühlte sich noch immer nicht bereit, sich auf einen anderen Mann einzulassen.
    »Na ja, auf jeden Fall bist du ab sofort Herrin dieses Ladens, und ich verlasse mich drauf, dass ich bis auf die verkauften Sachen alles wiederfinde, wenn ich zurückkehre.« Damit zog Lilly ihre Geldbörse aus der Tasche und reichte ihr einen Hunderter. »Hier, als kleine Anzahlung. Den Rest bekommst du, wenn ich wieder zurück bin.«
    »Danke – geht klar.« Sunny ließ den Geldschein in der ­Tasche ihrer Jeans verschwinden. »Und, bist du schon aufgeregt?«
    Lilly blickte zu ihrem Gepäck, das neben der Tür auf sie wartete.
    Eigentlich hatte sie nicht vorgehabt, viel mitzunehmen, doch dann hatte sich mehr und mehr »Nötiges« wie Gastgeschenke und andere kleine Dinge angesammelt, so dass nun ein Trolley und eine prall gefüllte Reisetasche auf sie warteten. Und natürlich der Geigenkasten, der sich jeder Verstauung in Koffer oder Tasche widersetzt hatte, als wollte er, dass die Passanten ihn bei Lilly sahen.
    »Ja sicher, ich habe meine Freundin schon eine Weile nicht mehr gesehen.«
    »Und die Geige nimmst du mit?«
    »Ich will meiner Freundin die Geige zur Begutachtung übergeben.«
    »Ist sie denn was wert?«
    »Keine Ahnung. Auf jeden Fall interessiert es mich, wem sie früher gehört hat. Vielleicht kann ich das in Erfahrung bringen.«
    »Das wirst du bestimmt. Und die wird sicher auch nicht zehn Jahre hier herumgammeln, bevor sie jemand kauft!«
    Lilly verzichtete darauf, Sunny aufzuklären, dass sie nicht beabsichtigte, diese Geige zu verkaufen. Später, wenn sie wieder zurück war, würde sie ihr vielleicht die Geschichte erzählen – wenn es denn eine gab.
    Nachdem sie sich noch einmal umgesehen hatte, als wollte sie sich das Aussehen ihres Ladens einprägen, schulterte sie ihre Reisetasche, klemmte sich den Geigenkoffer unter den Arm und zog mit der freien Hand den Trolley hinter sich her.
    »Mach’s gut, Sunny!«
    »Du auch, Lilly!«
    Noch einmal läutete die Türglocke über ihr, dann trat sie hinaus in die winterliche Kälte.
    Lilly fand es erstaunlich, wie schnell einige Dinge manchmal gingen. Gerade eben hatte sie an eine Reise gedacht, jetzt trat sie sie schon an. Gleich am Tag nach dem Telefonat hatte sie an Sunnys Wohnungstür geklingelt. Die Studentin war begeistert gewesen, gleich anfangen zu können, zumal sie einen ruhigen Ort brauchte, um an ihrer Hausarbeit zu feilen.
    Alles danach hatte perfekt ineinandergegriffen wie die Zahnräder eines Uhrwerks. Anruf bei Ellen, Buchung des Fluges, Kofferpacken. Ihre Frage nach einem guten Hotel blockte Ellen mit einem herzhaften »Spinnst du? Du wohnst natürlich bei uns!« ab. Und da war sie nun, auf dem Weg nach London. In ein paar Stunden ging ihr Flug.
    Mit einem erwartungsvollen Kribbeln in der Magengrube stapfte Lilly in Richtung S-Bahnhof. Der Frost biss ihr in die Wangen, und als wollte ihr das Wetter sagen, dass es richtig war, was sie tat, strahlte die Sonne von Wolken unbehelligt an einem tiefblauen Morgenhimmel. Die Schneeberge, die sich am Straßenrand auftürmten und das Parken beinahe unmöglich machten, glitzerten wie unzählige Brillanten, und auf einmal kamen ihr auch die Mienen der Passanten nicht mehr so mürrisch vor.
    Lilly bedauerte es in diesem Augenblick ein wenig, dass sie nur noch so selten verreiste. Gegenüber ihrer Umgebung schob sie ihren Laden vor, doch tief in ihrem Innern wusste sie, dass Peter der Grund war. Die Angst davor, auf der Reise allein zu sein, keinen Anschluss zu finden und dann von
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